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Betreuungsrecht: Betreuung von Menschen mit Behinderung
Das Betreuungsrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Konkret in den Paragraphen 1814 bis 1881. Für volljährige Menschen, die auf Grund von Krankheit oder Behinderung ihre Angelegenheiten nicht selbst regeln können, kann das Betreuungs-Gericht eine rechtliche Betreuer*in bestellen.
Neuerungen zum Jahreswechsel: Mit Beginn des neuen Jahres sind Änderungen im Betreuungsrecht in Kraft getreten, wie etwa eine Inflationsausgleichs-Sonderzahlung für Berufsbetreuer*innen und Betreuungsvereine. Auf unserer Neuerungen-Seite erhatten Sie weitere Informationen.
Betreuungsrecht – Rechtlicher Hintergrund
Ab dem 18. Geburtstag ist jeder erwachsene Mensch für sich selbst verantwortlich. Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf die gleiche Rechts- und Handlungsfähigkeit wie Menschen ohne Behinderung.
Das heißt, Eltern von Kindern mit geistiger Beeinträchtigung sind mit Eintritt der Volljährigkeit ihrer Kinder nicht einfach berechtigt, für ihr Kind Eingliederungshilfe zu beantragen, Verträge zu schließen oder in eine Operation einzuwilligen. Stattdessen kann grundsätzlich jeder volljährige Mensch – ob mit oder ohne Behinderung – daher z.B. selbst ein Handy kaufen oder eine Wohnung anmieten. Manchmal können erwachsene Menschen aber ihre rechtlichen Angelegenheiten nicht selbst regeln. Dann gibt es die Möglichkeit einer rechtlichen Betreuung.
Grundlagen zur rechtlichen Betreuung
Wenn volljährige Menschen wegen einer Krankheit oder Behinderung ihre rechtlichen Angelegenheiten nicht selbst regeln können, kann das Betreuungsgericht eine rechtliche Betreuer*in bestellen. Aber was bedeutet rechtliche Betreuung eigentlich?
- Aufgabe der rechtlichen Betreuung ist es, das Selbstbestimmungsrecht von kranken und behinderten Menschen zu sichern. Eine rechtliche Betreuer*in unterstützt die rechtlich betreute Person dabei, ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen. Und zwar dadurch, dass sie den rechtlich betreuten Menschen bei rechtlichen Entscheidungen berät, unterstützt und gegebenenfalls gesetzlich vertritt.
- Dabei richtet sich die rechtliche Hilfestellung der rechtlichen Betreuer*in nach dem konkreten Bedarf der rechtlich betreuten Person. Kann der rechtlich betreute Mensch z.B. nicht selbst Sozialleistungen beantragen, den Mietvertrag abschließen oder sich um notwendige Impfungen und Vorsorgeuntersuchungen kümmern, dann sorgt die rechtliche Betreuer*in dafür, dass die notwendigen Entscheidungen getroffen werden.
- Eine rechtliche Betreuer*in ist nicht zuständig für die Haushaltsführung oder Pflege des rechtlich betreuten Menschen. Sie muss aber gegebenenfalls Hilfen für den rechtlich betreuten Menschen organisieren und die rechtlichen Voraussetzungen dafür klären. So kann die rechtliche Betreuer*in den rechtlich betreuten Menschen z.B. bei der Vermögens- oder Gesundheitssorge oder dem Kontakt mit Behörden unterstützen.
- Wichtigste Aufgabe der rechtlichen Betreuer*in ist es, den rechtlich betreuten Menschen zu unterstützen, damit er selbst eine Entscheidung treffen und diese umsetzen kann.
- Der wichtigste Grundsatz lautet: Unterstützen vor Vertreten!
- Dazu muss die rechtliche Betreuer*in die Wünsche und den Willen der rechtlich betreuten Person feststellen, diesen grundsätzlichen entsprechen und die rechtlich betreute Person bei der Umsetzung der Wünsche und des Willens unterstützen.
- Die Wünsche und der Wille der rechtlich betreuten Person sind sozusagen Handlungsleitlinie für die rechtliche Betreuer*in, aber auch für das Betreuungsgericht.
- Daneben ist die rechtliche Betreuer*in in dem Aufgabenkreis, für den sie bestellt wurde, vertretungsberechtigt. Sie kann Entscheidungen mit Wirkung für die rechtlich betreute Person treffen.
- Ganz wichtig: Die rechtliche Betreuer*in ist verpflichtet, nur dann stellvertretend aktiv zu werden, wenn der rechtlich betreute Mensch ohne Hilfe der rechtlichen Betreuer*in nicht selbst eine eigene Entscheidung treffen kann oder diese umsetzen kann.
- Die Anordnung der rechtlichen Betreuung führt nicht zur Entrechtung der rechtlich Betreuten.
- Der Mensch mit Behinderung bleibt trotz der Einrichtung einer rechtlichen Betreuung handlungs- und geschäftsfähig. Er kann damit in der Regel weiterhin selbst Verträge abschließen oder in medizinische Maßnahmen einwilligen.
- Rechtlich betreute Personen sind auch in Zivil- und Sozialgerichtsverfahren grundsätzlich prozessfähig. Das bedeutet, sie können bei Gericht selbst Erklärungen abgeben, Anträge stellen oder gegen Gerichtsentscheidungen vorgehen. Auch die Schreiben von Gerichten oder Behörden sollen rechtlich betreuten Personen übermittelt werden und nicht nur der rechtlichen Betreuer*in. Eine Ausnahme besteht lediglich dann, wenn die rechtliche Betreuer*in eine sog. Ausschließlichkeitserklärung abgegeben hat.
- Zum Schutz des rechtlich betreuten Menschen kann das Betreuungsgericht einen Einwilligungsvorbehalt anordnen. Der Einwilligungsvorbehalt stellt eine Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass der rechtlich betreute Mensch trotz der Einrichtung einer rechtlichen Betreuung handlungs- und geschäftsfähig ist. Denn der rechtlich betreute Mensch braucht dann für den wirksamen Abschluss z.B. eines Mietvertrags die vorherige oder nachträgliche Zustimmung seiner rechtlichen Betreuer*in.
- Das Betreuungsgericht darf den Einwilligungsvorbehalt nur anordnen, wenn der rechtlich betreute Mensch sich oder sein Vermögen in erheblichem Umfang schädigt und er dies gleichzeitig aufgrund seiner Behinderung oder Krankheit nicht erkennen kann. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn die rechtlich betreute Person im Internet ständig Waren bestellt, die sie gar nicht braucht und auch nicht mehr haben will. Kann die rechtliche Betreuer*in sie nicht überzeugen, ihr Handeln zu ändern, wäre ein Einwilligungsvorbehalt denkbar.
- Beachte: Selbst wenn ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist, darf die rechtlich betreute Person ohne die rechtliche Betreuer*in Geschäfte des täglichen Lebens tätigen (z.B. Brot kaufen), Schenkungen annehmen, oder Verträge schließen, die ihr einen rechtlichen Vorteil bringen.
- Wichtig: Weder die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung für den Bereich Gesundheit noch die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts führen dazu, dass die rechtlich betreute Person nicht mehr selbst in medizinische Maßnahmen einwilligen kann. Dieser bezieht sich nur auf rechtliche Maßnahmen wie den Abschluss eines Behandlungsvertrages mit einer Ärzt*in bzw. einer Klinik. Ist ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet, ist für den wirksamen Abschluss eines solchen Vertrages die Zustimmung der rechtlichen Betreuer*in notwendig.
- Hiervon zu unterscheiden ist die Einwilligung in eine medizinische Maßnahme. Bei ihr geht es um die Verfügung über ein höchstpersönliches Recht, nämlich das der Gesundheit. Daher ist auch bei einem rechtlich betreuten Menschen davon auszugehen, dass er einwilligungsfähig ist. Erst wenn eine Ärzt*in feststellt, dass der Mensch in der konkreten Behandlungssituation nicht in der Lage ist, Art, Bedeutung und Tragweite (Risiken) der ärztlichen Maßnahme zu erfassen, kommt es auf die Einwilligung eines dazu Berechtigten an (z.B. einer rechtlichen Betreuer*in).
- Außerdem umfasst der Einwilligungsvorbehalt keine Erklärungen bezüglich der Eheschließung, der Testamentserrichtung oder der Anfechtung oder Aufhebung eines Erbvertrags.
- Eine rechtliche Betreuer*in kann nur für einen volljährigen Menschen bestellt werden. Voraussetzung dafür ist, dass ein Mensch aufgrund einer Behinderung oder einer Krankheit seine rechtlichen Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Dabei sind mit dem Begriff Angelegenheiten alle rechtlichen Aufgaben im Zusammenhang mit Gesundheit, Wohnen, Arbeit, Freizeit und Geld gemeint, die der betreffende Mensch in nächster Zeit regeln müsste, allein aber nicht erledigen kann.
- Damit keine Lücke zwischen dem Ende des elterlichen Sorgerechts und dem Beginn der rechtlichen Betreuung entsteht, sollten Eltern schon vor dem vollendeten 18. Lebensjahr ihres geistig behinderten Kindes überlegen, ob es in rechtlichen Fragen auf Unterstützung angewiesen sein wird. Wenn ja, kann schon für einen 17-jährigen Menschen mit Behinderung eine rechtliche Betreuer*in bestellt werden. Wirksam wird die Bestellung dann mit dem Beginn der Volljährigkeit.
- Es gibt Alternativen zur rechtlichen Betreuung. Wenn ein Mensch mit Behinderung zwar die Hilfe seiner Eltern oder anderer Vertrauenspersonen bei der Vorbereitung rechtlicher Entscheidungen braucht und bekommt, die eigentliche Erklärung (z.B. den Abschluss eines Arbeitsvertrags oder die Einwilligung in eine Operation) aber in jedem Fall selbst abgeben kann, muss keine rechtliche Betreuer*in bestellt werden.
- Ist die rechtlich betreute Person verheiratet oder hat eine Lebenspartner*in, kann die Notwendigkeit einer rechtlichen Betreuung aufgrund des Ehegatt*innenvertretungsrechts entfallen. Dieses besagt, dass eine Ehe- oder Lebenspartner*in ihre Partner*in sechs Monate lang vertreten kann, wenn sie ihre Gesundheitsangelegenheiten aufgrund einer Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht besorgen kann. Ein Vertretungsrecht besteht aber dann nicht, wenn die Ehegatt*innen getrennt leben, der Ehegatt*in oder der Ärzt*in bekannt ist, dass die erkrankte Ehegatt*in eine Vertretung ablehnt oder, wenn in anderer Weise Vorsorge getroffen wurde.
- Für Personen, die durch kleinere Hilfestellungen in die Lage versetzt werden können, künftig ihre Angelegenheiten in eigener Verantwortung selbst zu erledigen, kann das sog. Verfahren der erweiterten Unterstützung in Betracht kommen. Dabei handelt es sich um ein zeitlich begrenztes Fall-Management der Betreuungsbehörde, mit dem Ziel zu klären, ob und inwiefern eine rechtliche Betreuung vermieden werden kann. Gemeinsam und mit dem Einverständnis der jeweiligen Person erörtert, organisiert und lotet die Betreuungsbehörde die in Betracht kommenden sozialen Hilfen aus. Die Behörde unterstützt die jeweilige Person bei der Geltendmachung ihrer sozialrechtlichen Ansprüche.
- Aber: Betreuungsbehörden sind nicht verpflichtet, das Verfahren der erweiterten Unterstützung anzubieten. Ob sie dies tun, hängt von den verfügbaren personellen und sachlichen Kapazitäten ab. Steht eine rechtliche Betreuung im Raum sollte, man sich daher bei der Betreuungsbehörde vor Ort erkundigen, ob sie ein derartiges Verfahren anbietet.
- Auch wenn ein Mensch mit Behinderung eine Vorsorgevollmacht erstellt hat, ist keine rechtliche Betreuung erforderlich. In der Vorsorgevollmacht muss er einen engen Vertrauten mit der Erledigung aller notwendigen rechtlichen Angelegenheiten beauftragen und ihn bevollmächtigen, alle notwendigen Erklärungen abzugeben. Voraussetzung für die Erstellung einer Vorsorgevollmacht ist die Geschäftsfähigkeit des Menschen mit Behinderung.
- Vorsorge treffen: Jeder Mensch kann in eine Lage kommen, in der er auf Hilfe durch eine rechtliche Betreuung angewiesen ist – sei es durch einen Unfall, eine Krankheit oder eine Behinderung. Für diesen Fall sind Vorkehrungen in Form einer Patientenverfügung und einer Betreuungsverfügung geeignet.
- In einer Patientenverfügung können Personen festlegen, welche Behandlung sie im Falle ihrer Einwilligungsunfähigkeit wünschen oder auch nicht wünschen. Wenn eine wirksame und für den beabsichtigten Eingriff einschlägige Patientenverfügung vorliegt, in der eine entsprechende Behandlung abgelehnt wird, muss die Behandlung unterbleiben.
- In einer Betreuungsverfügung können Personen für den Fall, dass eine rechtliche Betreuung notwendig ist, bestimmen, wer zur rechtlichen Betreuer*in bestellt werden soll und wer nicht. Das Betreuungsgericht hat diese Vorschläge dann bei Auswahl einer rechtlichen Betreuer*in zu berücksichtigen.
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Die Rahmenbedingungen rechtlicher Betreuung
Die rechtliche Betreuung von Menschen ist genau reglementiert. Das betrifft etwa die Fragen, ob, wie und wie lange eine rechtliche Betreuung erfolgt. Es muss zudem regelmäßig geprüft werden, ob eine rechtliche Betreuung weiterhin erforderlich ist.
- Weil eine rechtliche Betreuung auch in Rechte des rechtlich betreuten Menschen eingreift, darf sie nur dann, nur so lange und nur in dem Umfang eingerichtet werden, wie sie tatsächlich erforderlich ist. Der sogenannte Erforderlichkeitsgrundsatz sorgt also dafür, dass die rechtliche Betreuung auf das notwendige Maß begrenzt wird.
- Die Führung einer rechtlichen Betreuung erstreckt sich oft über mehrere Jahre. Auch hinsichtlich der Dauer einer rechtlichen Betreuung gilt der Erforderlichkeitsgrundsatz. Daher muss das Betreuungsgericht regelmäßig, spätestens nach sieben Jahren überprüfen, ob die rechtliche Betreuung noch notwendig ist. Wenn der rechtlich betreute Mensch inzwischen seine rechtlichen Angelegenheiten ohne rechtliche Betreuer*in erledigen kann, muss das Betreuungsgericht die rechtliche Betreuung aufheben.
- Wurde eine Betreuung gegen den freien Willen eingerichtet, muss das Gericht spätestens nach zwei Jahren überprüfen, ob diese noch erforderlich ist.
- Wichtig: Die Zweijahres-Frist gilt nur bei der erstmaligen Überprüfung.
- Bei der Anordnung einer rechtlichen Betreuung wird der rechtlichen Betreuer*in der Aufgabenkreis übertragen, in dem ein Betreuungsbedarf besteht. Voraussetzung ist, dass bei dem rechtlich betreuten Menschen in seiner jeweiligen Lebenssituation bestimmte Angelegenheiten tatsächlich unterstützungsbedürftig bzw. regelungsbedürftig sind. So etwa die Einrichtung eines Kontos oder die Entscheidung über eine anstehende Operation. Zusätzliche Voraussetzung ist, dass der Mensch sich nicht ohne Unterstützung um seine rechtlichen Angelegenheiten kümmern kann.
- Der Aufgabenkreis besteht aus einem oder mehreren Aufgabenbereichen. Diese Bereiche müssen vom Gericht einzeln angeordnet werden. Das bedeutet, mit dem Begriff Aufgabenkreis sind alle von der rechtlichen Betreuer*in zu regelnden Aufgaben gemeint.
- In den gesetzlichen Regelungen zum Betreuungsrecht werden die Aufgabenkreise nicht genannt. Das Gericht kann daher der rechtlichen Betreuer*in:
- einzelne Angelegenheiten zuweisen (z.B. Abschluss eines Wohnvertrags),
- Bereiche festlegen, in denen die rechtliche Betreuer*in tätig werden soll (Aufenthaltsbestimmung, Zustimmung zur Heilbehandlung, Geltendmachung sozialrechtlicher Ansprüche) oder
- der rechtlichen Betreuer*in übergreifende Bereiche wie z.B. die gesamte Vermögenssorge oder Gesundheitssorge zuweisen.
- Eine Betreuung in allen Angelegenheiten gibt es nicht mehr.
- Bestimmte Entscheidungen darf die Betreuer*in nur treffen, wenn sie als Aufgabenbereich vom Betreuungsgericht ausdrücklich angeordnet worden sind, z.B.:
- freiheitsentziehende Unterbringung,
- freiheitsentziehende Maßnahme,
- die Bestimmung des Umgangs der rechtlich betreuten Person,
- die Entscheidung über die Telekommunikation der rechtlich betreuten Person,
- die Entscheidung über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten der Post der rechtlich betreuten Person.
- Bei Maßnahmen und Eingriffen, die mit erheblichen Risiken für die Gesundheit und das Leben des rechtlich betreuten Menschen verbunden sind, kann die rechtliche Betreuer*in nicht allein entscheiden. Sie muss die Genehmigung des Betreuungsgerichts einholen. Dies betrifft z.B. Herzoperationen, radikale Behandlungen bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen, Zwangsbehandlungen.
- Aber auch die Einwilligung in freiheitsentziehende Maßnahmen durch die Betreuer*in, der Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch eine Kontrollbetreuer*in oder die Kündigung der Wohnung der rechtlich betreuten Person durch die Betreuer*in bedarf der betreuungsgerichtlichen Genehmigung.
Das betreuungsgerichtliche Verfahren
Für die Bestellung einer rechtlichen Betreuer*in ist das Betreuungsgericht zuständig. Das Betreuungsverfahren beginnt mit dem Antrag des Menschen mit Behinderung. Es kann aber auch von Amts wegen beginnen, wenn das Betreuungsgericht von Dritten, z.B. den Eltern oder der Werkstatt, erfährt, dass eine rechtliche Betreuung notwendig sein könnte. Der Antrag muss keine bestimmte Form haben. Es genügt eine einfache Nachricht an das Gericht, dass ein Mensch mit Behinderung eine rechtliche Betreuer*in benötigt.
Danach leitet das Betreuungsgericht das Betreuungsverfahren ein und benachrichtigt den betreffenden Menschen mit Behinderung. Je nach familiärer Konstellation können auch die Ehepartner*in, die Eltern, die Großeltern, Kinder und Geschwister des rechtlich zu betreuenden Menschen sowie gegebenenfalls eine von ihm benannte Vertrauensperson benachrichtigt werden.
Die rechtlich zu betreuende Person ist im Betreuungsverfahren immer verfahrensfähig, auch wenn sie nicht geschäftsfähig sein sollte. Sie kann daher im gesamten Betreuungsverfahren Anträge stellen, eine Rechtsanwält*in beauftragen, Rechtsmittel einlegen und ihre Rechte im Verfahren selbst wahrnehmen.
Wenn das betreuungsrechtliche Verfahren eingeleitet wird
Leitet das Gericht ein betreuungsgerichtliches Verfahren ein, muss es die rechtlich zu betreuende Person über die Aufgaben der rechtlichen Betreuer*in, über den Verlauf des Verfahrens und die voraussichtlichen Kosten informieren. Die Unterrichtung soll in der Weise erfolgen, dass die betreffende Person die Informationen versteht.
- Zwingend am Betreuungsverfahren zu beteiligen sind:
- die betroffene Person,
- die gegebenenfalls bereits bestellte rechtliche Betreuer*in oder eine Bevollmächtigte*, sofern ihre Aufgabenkreise betroffen sind sowie
- gegebenenfalls eine Verfahrenspfleger*in.
- Das Betreuungsgericht zieht immer dann eine Verfahrenspfleger*in hinzu, wenn die rechtlich zu betreuende Person aufgrund ihrer Behinderung nicht in der Lage ist, sich selbst verständlich zu äußern und ihre Interessen wahrzunehmen. Oder, wenn gegen den erklärten Willen der rechtlich zu betreuenden Person eine rechtliche Betreuer*in bestellt oder ein Einwilligungsvorbehalt eingerichtet werden soll. Aufgabe der Verfahrenspfleger*in ist es, Helfer und "Sprachrohr" des rechtlich zu betreuenden Menschen zu sein, seine Rechte zu sichern und seinen Willen in das Verfahren einzubringen. Die Verfahrenspfleger*in muss die Wünsche und den mutmaßlichen Willen des rechtlich zu betreuenden Menschen feststellen und in das Verfahren einbringen.
- Eltern, Geschwister und Verwandte kennen den rechtlich zu betreuenden Menschen sehr gut. Sie können dem Gericht wichtige Hinweise zu seiner Biografie und seinem Alltag geben. Wollen Angehörige am gerichtlichen Verfahren mitwirken, sollten sie beim Gericht einen entsprechenden Antrag stellen. Eine Beteiligung kann erfolgen, wenn der rechtlich zu betreuende Mensch damit einverstanden und die Teilnahme in seinem Interesse ist.
- Hintergrund ist folgender: Das Gericht muss Eltern, Geschwister und Verwandte des volljährigen Menschen nicht generell und immer im Betreuungsverfahren beteiligen und anhören. Stattdessen kann es Angehörige hinzuziehen.
- Das Gericht muss ermitteln, ob und in welchem Umfang eine rechtliche Betreuung einzurichten ist. Fachliche Hilfestellung geben der Sozialbericht der Betreuungsbehörde und das medizinische Sachverständigengutachten. Ebenso ergeben sich aus der Anhörung der rechtlich zu betreuenden Person weitere Erkenntnisse. Deswegen muss die rechtlich zu betreuende Person grundsätzlich immer angehört werden.
- Die Betreuungsbehörde unterstützt das Betreuungsgericht. Sie ermittelt Umstände, die für eine rechtliche Betreuung und deren Umfang wichtig sind. In der Regel gibt die Betreuungsbehörde nach einem persönlichen Gespräch mit der rechtlich zu betreuenden Person einen Bericht ab (sogenannter Sozialbericht).
- In diesem schildert die Betreuungsbehörde die persönliche, soziale und gesundheitliche Situation des rechtlich zu betreuenden Menschen. Dazu gehört auch, inwiefern eine rechtliche Betreuung überhaupt erforderlich ist, welche Aufgabenbereiche sie umfassen sollte oder ob andere Hilfen geeignet erscheinen, den Hilfebedarf zu decken.
- Neben dem Sozialbericht muss das Gericht vor der Bestellung einer rechtlichen Betreuer*in ein Sachverständigengutachten einer Ärztin oder eines Arztes für Psychiatrie oder einer bzw. eines auf diesem Gebiet erfahrenen Ärztin oder Arztes einholen.
- Die sachverständige Person muss die rechtlich zu betreuende Person persönlich untersuchen und darf sich nicht auf Untersuchungsberichte anderer Ärzt*innen verlassen.
- In dem Gutachten hat die bzw. der Sachverständige Art und Ausmaß der Behinderung und die vorgenommenen Untersuchungen darzulegen. Das Gutachten muss sich auch zu den erforderlichen Aufgabenbereichen und der voraussichtlichen Dauer der rechtlichen Betreuung äußern.
- Im Betreuungsverfahren ist die Anhörung der rechtlich zu betreuenden Person sehr wichtig: Entscheidungen dürfen nicht über den Kopf des Menschen mit Behinderung hinweg getroffen werden. Zudem können sich Betreuungsrichter*innen nur im persönlichen Gespräch eine Vorstellung von der Persönlichkeit des zu betreuenden Menschen machen.
- Wenn möglich, sollte die Anhörung in der gewohnten Umgebung des zu betreuenden Menschen stattfinden, also etwa bei ihm zuhause. Die Anhörung gibt der betroffenen Person auch die Möglichkeit, sich zu dem Sachverständigengutachten zu äußern. Deshalb muss das Betreuungsgericht das Sachverständigengutachten dem zu betreuenden Menschen grundsätzlich vor der Anhörung vollständig übermitteln.
- Neben dem betroffenen Menschen ist auch die Betreuungsbehörde zwingend anzuhören. Angehörige und Vertrauenspersonen sind dann anzuhören, wenn sie am Verfahren beteiligt worden sind. Ist dies nicht der Fall, besteht keine Pflicht zur Anhörung von Eltern, Geschwistern oder anderen Verwandten. Jedoch wird das Gericht in den meisten Fällen auch die Angehörigen dazu befragen, wie sie zur Einrichtung einer rechtlichen Betreuung stehen.
- Nach der Anhörung und dem Erhalt der Informationen aus dem Sozialbericht sowie dem Sachverständigengutachten trifft das Betreuungsgericht eine Entscheidung. Erachtet das Gericht eine rechtliche Betreuung als notwendig, muss es in der Entscheidung regeln, wer rechtliche Betreuer*in werden soll und mit welchem Aufgabenkreis.
Über rechtliche Betreuerinnen und Betreuer
Wenn das Betreuungsgericht eine rechtliche Betreuung als notwendig erachtet, entscheidet es in der Regel, wer rechtlicher Betreuer*in des betroffenen Menschen wird.
Rechtliche Betreuer*innen können ehrenamtliche Betreuer*innen, Berufs- oder Vereinsbetreuer*innen, aber auch ein Betreuungsverein sein.
Auswahl der Betreuer*innen
- Die rechtlich zu betreuende Person soll bei der Auswahl ihrer rechtlichen Betreuer*in mitbestimmen. Daher hat sie ein Vorschlagsrecht, wer ihre rechtliche Betreuer*in werden soll. Die rechtlich zu betreuende Person kann dem Betreuungsgericht mitteilen, wen sie sich als rechtliche Betreuer*in wünscht; aber auch, welche Person sie sich nicht wünscht. Für das Vorschlagsrecht ist keine Geschäfts- oder Einsichtsfähigkeit der rechtlich zu betreuenden Person erforderlich.
- Die rechtlich zu betreuende Person soll ihre potenzielle Betreuer*in kennenlernen, bevor sie ihre Betreuer*in wird.
- Wichtig: Eine Person, die zu einem Träger von Einrichtungen oder Diensten, der in der Versorgung des rechtlich zu betreuenden Menschen tätig ist, in einem Abhängigkeitsverhältnis steht, darf nicht zur rechtlichen Betreuer*in bestellt werden. Das gilt auch für Personen, die in der ambulanten Versorgung des rechtlich zu betreuenden Menschen beschäftigt sind. Hier besteht die Gefahr, dass die Person in einem Interessenskonflikt steht. Eine Ausnahme von diesem Bestellhindernis liegt dann vor, wenn die Gefahr der Interessenskollision nachweislich nicht gegeben ist.
Ehrenamtliche Betreuer*innen
- Im Betreuungsrecht gilt der Grundsatz der Ehrenamtlichkeit. Das bedeutet, dass die rechtliche Betreuung in erster Linie von ehrenamtlichen Betreuer*innen geführt werden soll. Das Betreuungsrecht unterscheidet bei den ehrenamtliche Betreuer*innen zwischen sog. ehrenamtlichen Angehörigenbetreuer*innen und ehrenamtlichen Fremdbetreuer*innen.
- Ehrenamtliche Angehörigenbetreuer*innen sind diejenigen, die eine familiäre Beziehung oder eine persönliche Bindung zur rechtlich betreuten Person haben. Ehrenamtliche Fremdbetreuer*innen sind diejenigen, die keine solche Beziehung oder Bindung zur rechtlich betreuten Person haben.
- Ehrenamtliche Fremdbetreuer*innen sollen nur bestellt werden, wenn sie vor ihrer Bestellung zur rechtlichen Betreuer*in eine Anbindungserklärung zu einem Betreuungsverein abgeben haben. Darin steht z. B., dass der Betreuungsverein sie bei Fragen zur Betreuung berät und sie sich regelmäßig fortbilden sollen, damit sie über Neuerungen im Betreuungs- oder Sozialrecht informiert sind.
- Ehrenamtliche Angehörigenbetreuer*innen können eine solche Erklärung abgegeben. Da dies eine sinnvolle Unterstützung ihrer Arbeit ist, sollten daher auch sie von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
- Stehen Eltern, Geschwister, Verwandte, Nachbarn oder enge Vertraute des rechtlich zu betreuenden Menschen zur Verfügung, dann soll eine Betreuung vorrangig ehrenamtlich durch diese Personen erfolgen.
- Schlägt die rechtlich zu betreuende Person niemanden vor, berücksichtigt das Gericht bei der Auswahl der rechtlichen Betreuer*in die verwandtschaftlichen und sonstigen Bindungen der zu betreuenden Person.
- Das Betreuungsgericht kann mehrere ehrenamtliche Betreuer*innen gleichzeitig bestellen. So können z. B. beide Elternteile eines jungen Menschen mit Behinderung seine rechtlichen Betreuer*innen werden. Möglich ist es auch, dass rechtliche Betreuer*innen für unterschiedliche Aufgabenbereiche zuständig sind.
Berufsbetreuer*innen
- Eine Berufsbetreuer*in darf nur dann bestellt werden, wenn sie als Berufsbetreuer*in registriert ist. Mit der Registrierung müssen sie u. a. nachweisen, dass sie z. B. Kenntnisse im Betreuungsrecht und Sozialrecht haben oder wissen, wie mit Personen mit Erkrankungen und Behinderungen kommuniziert werden kann. Wie die Registrierung erfolgt und welche Kenntnisse die Berufsbetreuer*in hierfür konkret nachweisen muss, ist in der Betreuerregistrierungsverordnung geregelt.
- Eine Berufsbetreuer*in übernimmt geschäftsmäßig Betreuungen. Sie soll nur im Ausnahmefall bestellt werden; selbst wenn die rechtlich zu betreuende Person sich ausdrücklich eine Berufsbetreuer*in wünscht.
- Ein Ausnahmefall liegt z.B. vor, wenn eine ehrenamtliche Betreuung nicht möglich ist, weil der rechtlich zu betreuende Mensch keine nahen Angehörigen hat. Oder wenn die Angehörigen zu einer rechtlichen Betreuung nicht in der Lage sind und auch keine andere Vertrauensperson des behinderten Menschen zur Verfügung steht. Eine Berufsbetreuer*in wird außerdem dann bestellt, wenn die Anforderungen an die rechtliche Betreuung so hoch sind, dass eine Berufsbetreuer*in fachlich besser geeignet ist.
- Unter bestimmten Voraussetzungen kann das Gericht auch mehrere Berufsbetreuer*innen gleichzeitig bestellen, z.B. für den Fall, dass eine der Betreuer*innen verhindert ist.
- Eine rechtliche Betreuer*in hat die Angelegenheiten des rechtlichen betreuten Menschen in den ihr übertragenen Aufgabenkreisen unter Beachtung aller gesetzlichen Bestimmungen zu führen. Wichtigste Aufgabe der rechtlichen Betreuer*in ist es, den rechtlich betreuten Menschen zu unterstützen, damit er selbst eine Entscheidung treffen und diese umsetzen kann. Die rechtliche Betreuer*in:
- hat das Selbstbestimmungsrecht der rechtlich betreuten Person zu achten,
- muss die Wünsche der rechtlich betreuten Person feststellen, ist an diese grundsätzlich gebunden und muss die rechtlich betreute Person bei der Umsetzung dieser wünsche unterstützen,
- darf nur dann stellvertretend tätig sein, wenn dies zwingend notwendig ist (Unterstützen vor Vertreten!),
- muss alle Angelegenheiten innerhalb des angeordneten Aufgabekreises mit der rechtlich betreuten Person besprechen,
- muss den erforderlichen Kontakt zur rechtlich betreuten Person halten und sich regelmäßig einen persönlichen Eindruck von ihr verschaffen,
- muss ihre Rehabilitation unterstützen und
- mit dem Betreuungsgericht zusammenarbeiten.
- Im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit dem Betreuungsgericht ist die rechtliche Betreuer*in verpflichtet, diesem auf Verlangen jederzeit über die Führung der rechtlichen Betreuung und die persönlichen Verhältnisse des rechtlich betreuten Menschen Auskunft zu erteilen.
- Die rechtliche Betreuer*in muss dem Gericht zudem regelmäßig über die rechtlich betreute Person berichten.
Anfangsbericht
- Zunächst gibt es den sogenannten Anfangsbericht. Mit der Übernahme der Betreuung muss die rechtliche Betreuer*in einen Bericht über die persönlichen Verhältnisse der rechtlich betreuten Person erstellen. Dieser bezieht sich auf die persönliche Situation der rechtlich betreuten Person. Hierzu gehören ihre Lebens-, Wohn- und Arbeitssituation, ihre sozialen sowie wirtschaftlichen Verhältnisse, ihre Fähigkeiten und Ressourcen, mögliche Beeinträchtigungen und Schwierigkeiten, ihr Sozialverhalten und ihre familiären und sozialen Kontakte. Weitere Inhalte des Anfangsberichts sind die sich aus den Wünschen und Vorstellungen der rechtlich betreuten Person ergebenden realistischen Ziele im Rahmen der rechtlichen Betreuung. Da die Wünsche der rechtlich betreuten Person Handlungsmaßstab für die rechtliche Betreuer*in sind, sind auch diese im Anfangsbericht festzuhalten.
- Der Anfangsbericht soll dem Betreuungsgericht innerhalb von drei Monaten nach der Bestellung übersandt werden.
- Darüber hinaus kann das Gericht den Bericht mit der rechtlich betreuten Person und der rechtlichen Betreuer*in besprechen.
- Ehrenamtliche Angehörigenbetreuer*innen sind nicht verpflichtet, einen Anfangsbericht anzufertigen. Sie können es aber. Anstelle des Anfangsberichts führt das Gericht mit der rechtlich betreuten Person auf deren Wunsch und in anderen geeigneten Fällen ein Anfangsgespräch. Ziel des Gesprächs ist es, Informationen über die persönlichen Verhältnisse, den Regelungsbedarf und die Wünsche der rechtlich betreuten Person zu erhalten.
- Es gehört zu den essentiellen Aufgaben der rechtlichen Betreuer*in, sich am Anfang einer Betreuung, aber auch in deren Verlauf, zu überlegen, welche Ziele die rechtliche Betreuung haben soll, welche Maßnahmen zu ergreifen sind und wie der Rehabilitationsauftrag erfüllt werden kann. Der Anfangsbericht ist hierfür ein gutes Instrument. Daher sollten ehrenamtliche Angehörigenbetreuer*innen von der Möglichkeit, einen Anfangsbericht anzufertigen, Gebrauch machen.
- In jedem Fall sollte zumindest die Möglichkeit des Anfangsgesprächs genutzt werden.
Jahresbericht
- Weiterhin ist die rechtliche Betreuer*in zu jährlichen Berichten über die rechtlich betreute Person verpflichtet (sogenannter Jahresbericht).
- Darin muss die rechtliche Betreuer*in u.a. Angaben über Art, Umfang und Anlass ihrer persönlichen Kontakte zur rechtlich betreuten Person und über ihren persönlichen Eindruck machen. Die rechtliche Betreuer*innen muss auch über ihre konkreten Tätigkeiten berichten. Das bedeutet, sie muss erläutern, welche Betreuungsziele umgesetzt und welche Maßnahmen durchgeführt wurden.
- Ein wesentlicher Aspekt des Jahresberichts ist die Sichtweise der rechtlich betreuten Person zu den genannten Punkten. Auch diese muss die rechtliche Betreuer*in mitteilen.
- Überdies hat die rechtliche Betreuer*in den Jahresbericht mit der rechtlich betreuten Person in einer für sie verständlichen Weise zu besprechen. Das Gespräch über den Jahresbericht stellt sicher, dass die rechtlich betreute Person in die gerichtliche Kontrolle einbezogen wird.
Schlussbericht
- Nach der Beendigung der rechtlichen Betreuung hat die rechtliche Betreuer*in einen sogenannten Schlussbericht zu erstellen. Hierbei ist es unerheblich, ob die Betreuung durch Tod des rechtlich betreuten Menschen, durch einen Betreuer*innenwechsel oder durch Aufhebung endet.
- Im Schlussbericht muss die rechtliche Betreuer*in u.a. angeben, welche Gegenstände sie an wen ausgehändigt hat. War die rechtliche Betreuer*in z.B. für die Vermögenssorge zuständig, muss sie bei Beendigung der rechtlichen Betreuung das von ihr verwaltete Vermögen der rechtlich betreuten Person und sämtliche dazugehörige Unterlagen an die rechtlich betreute Person, ihre Erb*innen oder sonstige Berechtigte (z.B. Nachlassverwalter*in, die neue rechtliche Betreuer*in) herausgeben.
Weitere Berichtspflichten
- Sind der rechtlichen Betreuer*in auch Aufgaben der Vermögenssorge übertragen, muss sie zu Beginn der rechtlichen Betreuung ein Vermögensverzeichnis anlegen und jährlich Rechenschaft ablegen.
- Sind die Eltern, Großeltern, Kinder, die Ehegatt*in oder Geschwister zur rechtlichen Betreuer*in bestellt, sind sie in der Regel als sogenannte befreite Betreuer*in von der Rechnungslegungspflicht entbunden.
- Anstelle der jährlichen Rechnungslegung müssen sie dem Betreuungsgericht eine Übersicht über den Bestand des Vermögens, eine sogenannte Vermögensübersicht, vorlegen. Das Gericht kann auch festlegen, dass die Vermögensübersicht spätestens alle fünf Jahre einzureichen ist.
- Entsteht dem rechtlich betreuten Menschen durch das Handeln der rechtlichen Betreuer*in ein Schaden, kommt eine Haftung der Betreuer*in auf Schadensersatz gegenüber der rechtlich betreuten Person in Betracht. Voraussetzung ist, dass die rechtliche Betreuer*in ihre Betreuer*innenpflichten vorsätzlich oder fahrlässig verletzt hat und der entstandene Schaden auf dieser Verletzung beruht.
- Für ehrenamtliche Betreuer*innen sind in fast allen Bundesländern Sammel-Haftpflicht-Versicherungen eingerichtet. Dies gilt zumindest für Vermögensschäden. In einigen Bundesländern sind über die Sammel-Haftpflicht-Versicherung auch Sach- und Personenschäden abgedeckt. Für den Versicherungsschutz bedarf es zum Teil keiner gesonderten Anmeldung. Stattdessen besteht für ehrenamtliche Betreuer*innen ab der Bestellung zur rechtlichen Betreuer*in automatisch Versicherungsschutz.
- Hinweis: Eine Übersicht darüber, welche Bundesländer Versicherungen für ehrenamtliche Betreuer*innen abgeschlossen haben und welche Haftungsvoraussetzungen und Haftungsumfänge sich aus diesen ergeben, findet sich in der Antwort der Bundesregierung vom 15. August 2019 (Drucksachennummer 19/12404, S. 6 f.).
- Berufsbetreuer*innen müssen sich gegen Haftungsrisiken selbst versichern.
Was sind die Kosten einer rechtlichen Betreuung?
Viele Angehörige von Menschen mit Behinderung fragen sich, wie teuer die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung ist. Wir möchten Antworten auf die Fragen zur Finanzierung der rechtlichen Betreuung von Menschen mit Beeinträchtigung bieten.
- Gerichtskosten, d.h. Kosten für das betreuungsgerichtliche Verfahren, werden nur erhoben, wenn die rechtlich betreute Person ein Vermögen von über 25.000 Euro hat.
- Ist die rechtliche Betreuung auf längere Zeit eingerichtet, kann das Betreuungsgericht zudem eine jährliche Gebühr (sogenannte Jahresgebühr) erheben.
- Die Jahresgebühr ist nur dann zu zahlen, wenn die rechtlich betreute Person über ein Vermögen von mehr als 25.000 Euro verfügt.
- Von den Gerichtskosten sind die Kosten für die Führung der rechtlichen Betreuung zu unterscheiden. Hier gelten andere Vermögensfreigrenzen. Außerdem sind die Kosten für die Betreuungsführung davon abhängig, ob eine ehrenamtliche oder eine Berufsbetreuer*in bestellt wurde.
- Grundsätzlich zahlt die rechtlich betreute Person die Kosten für die Führung einer rechtlichen Betreuung. Eine Ausnahme besteht dann, wenn sie mittellos ist. In diesem Fall zahlt die Staatskasse des jeweiligen Bundeslandes.
- Mittelos ist die rechtlich betreute Person, wenn sie nicht genügend Einkommen hat. Der Vermögensschonbetrag, den die rechtlich betreute Person für die „(Be)Zahlung“ der rechtlichen Betreuung nicht antasten muss, liegt bei 10.000 Euro. In bestimmten Einzelfällen kann das Betreuungsgericht einen höheren Vermögensschonbetrag festlegen, wenn für die rechtlich betreute Person eine besondere Härte vorliegt. Dies kann der Fall sein, wenn durch die Zahlung der Vergütung eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.
- Wichtig: Der zusätzliche Schonbetrag für Menschen, die Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten, ist bei der Ermittlung der Mittellosigkeit im Rahmen der Betreuer*innenvergütung nicht anwendbar.
- Hinweis: Inwiefern das Vermögen, welches dem volljährigen Kind im Falle des Todes der Eltern durch eine Erbschaft zufließt, für die Zahlung der Betreuungsführung herangezogen wird, hängt von der Ausgestaltung des Testaments ab. Wollen Eltern ausschließen, dass die Betreuer*innenvergütung und die Gerichtskosten für eine rechtliche Betreuung aus dem Nachlass gezahlt werden, sollten sie mit entsprechender Beratung ein sogenanntes Behindertentestament verfassen und darin u. a. ausdrücklich festlegen, dass der Nachlass nicht für die Führung der Betreuung genutzt werden soll. Das gleiche gilt auch, wenn die Eltern verhindern wollen, dass ihr Kind aufgrund der Erbschaft etwaige Sozialhilfeansprüche verliert.
- Berufsbetreuer*innen erhalten für die Führung der rechtlichen Betreuung eine Vergütung. Die Vergütung der Berufsbetreuer*innen ist im Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) geregelt.
- Die Vergütungshöhe richtet zum einen nach der Qualifikation der rechtlichen Betreuer*in, zum anderen nach verschiedenen Kriterien, die den Aufwand der rechtlichen Betreuung abbilden sollen. Eine Rolle spielt dabei die Dauer der rechtlichen Betreuung, die Vermögenssituation der rechtlich betreuten Person und ihr gewöhnlicher Aufenthalt.
- In diesem Zusammenhang verwendet das VBVG weiterhin die Begrifflichkeiten „stationäre und ambulante Einrichtungen“. Besonderen Wohnformen der Eingliederungshilfe gehören hierbei zu den stationären Einrichtungen.
- Eine zusätzliche Pauschale können Berufsbetreuer*innen geltend machen bei:
- der Verwaltung höherer Vermögen der rechtlich betreuten Person,
- der Übernahme einer Betreuung von ehrenamtlichen Betreuer*innen
- und bei Abgabe einer beruflichen Betreuung an ehrenamtliche Betreuer*innen.
- Führt eine ehrenamtliche Betreuer*in eine rechtliche Betreuung, erhält sie keine Vergütung. Aber auch ehrenamtlichen Betreuer*innen können bei der Wahrnehmung dieses Amtes Kosten, z.B. Fahrt-, Proto-, Telefon-, Kopierkosten usw. entstehen.
- Diese können ehrenamtliche Betreuer*innen, egal ob es sich dabei um Angehörige der rechtlich betreuten Person handelt oder nicht, auf zwei unterschiedlichen Wegen erstattet bekommen:
- Sie können eine Aufwandspauschale
- oder stattdessen einen Aufwendungsersatz geltend machen.
- Mit der Aufwandspauschale sollen die gesamten Aufwendungen der rechtlichen Betreuung abgegolten werden, ohne dass sie im Einzelnen nachgewiesen werden müssen. Die Pauschale beträgt für ein Betreuungsjahr und pro rechtliche Betreuung 425 Euro.
- Ist die rechtlich betreute Person nicht mittellos und die ehrenamtliche Betreuer*in für die Vermögenssorge der rechtlich betreuten Person zuständig, kann die Pauschale direkt aus dem Vermögen der rechtlich betreuten Person entnommen werden. Ist die ehrenamtliche Betreuer*in nicht für die Vermögenssorge zuständig und/oder die rechtlich betreute Person mittellos, kann die ehrenamtliche Betreuer*in beim Betreuungsgericht formlos einen Antrag auf Zahlung der Pauschale stellen.
- Wichtig: Der Antrag muss nur einmal zu Beginn der rechtlichen Betreuung gestellt werden. In den Folgejahren gilt der Jahresbericht automatisch als Folgeantrag für die Auszahlung der Aufwandspauschale.
- Die Antragsformulare für die Aufwandspauschale sind im Internet zu finden.
- Entstehen bei der Wahrnehmung der ehrenamtlichen Betreuung Kosten von mehr als 425 Euro, können ehrenamtliche Betreuer*innen statt der Aufwandspauschale den Ersatz der konkreten Aufwendungen geltend machen. In diesem Fall müssen die entstandenen Kosten einzeln abgerechnet und nachgewiesen werden. Entscheidend ist, dass die getätigten Ausgaben zur Führung der rechtlichen Betreuung notwendig waren. Zudem muss die ehrenamtliche Betreuer*in die Kosten innerhalb von 15 Monaten, nachdem sie entstanden sind, gegenüber der rechtlich betreuten Person oder dem Betreuungsgericht geltend machen.
- Auch hier gilt: Ist die rechtlich betreute Person vermögend, kann die ehrenamtliche Betreuer*in direkt von ihr den Aufwendungsersatz verlangen. Hat die ehrenamtliche Betreuer*in zusätzlich die Vermögenssorge inne, kann sie den Aufwendungsersatz direkt aus dem Vermögen der rechtlich betreuten Person entnehmen. In allen anderen Fällen, muss sich die ehrenamtliche Betreuer*in an das Betreuungsgericht wenden und bei diesem den Kostenersatz geltend machen.
Wo gibt es Unterstützung bei der rechtlichen Betreuung?
Vor allem ehrenamtliche Betreuer*innen sollen bei der Führung der rechtlichen Betreuung Unterstützung erhalten. Der Gesetzgeber hat daher Beratungsansprüche gegenüber der Betreuungsbehörde und dem Betreuungsgericht vorgesehen.
Aber auch Betreuungsvereine haben unter anderem den Auftrag, ehrenamtliche Betreuer*innen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als rechtliche Betreuer*in zu beraten und zu unterstützen. Ehrenamtliche Betreuer*innen sollten sich daher vor Ort informieren, welche Beratungs- und Fortbildungsmöglichkeiten die örtlichen Betreuungsbehörden und -vereine im Angebot haben. Möglicherweise existiert vor Ort auch ein Betreuungsverein der Lebenshilfe, der konsultiert werden kann.
- Das Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJ) bietet online Informationsmaterial zum Thema "Betreuungsrecht" an.
- Weiterhin gibt es ein Online-Lexikon zum Betreuungsrecht, mit Informationen zu verschiedenen Rechtsbegriffen im Betreuungsrecht mit Rechtsprechung.
Betreuungsrecht: Weiterführende Informationen
Hinweise der Lebenshilfe
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Der Lebenshilfe-Verlag ist der deutschsprachige Fachverlag für das Thema geistige Behinderung. In seinen Publikationsreihen bietet er rund 140 Bücher und sonstige Medien an.
Die Themen der Bücher aus dem Verlag der Lebenshilfe umfassen alle Lebensbereiche geistig beeinträchtigter Menschen und ihrer Familien. Sie reichen vom Bilderbuch über Handreichungen zur Pflegeversicherung oder schulischen Integration bis hin zur Intimität von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung.