Pflege und Behinderung: Leistungen der Pflegeversicherung und des Sozialamts bei Hilfe zur Pflege
Wer kann Leistungen der Pflegeversicherung bekommen? Und wann ist Hilfe zur Pflege möglich? Hier bekommen Sie einen rechtlichen Überblick zum Thema Pflege (geregelt im Sozialgesetzbuch 11 / SGB XI) und zur Hilfe zur Pflege (geregelt im SGB XII).
Aktuelle Informationen zur Pflege
Pflegeversicherung: Änderungen in 2025
Änderungen zum 01.01.2025
Fast alle Pflegeleistungen werden zum 01.01.2025 erhöht. Die folgende Übersicht des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) gibt dazu einen Überblick:
Beachte: Die Übersicht bildet nicht die Änderungen ab, die erst zum 01.07.2025 in Kraft treten werden
Änderungen zum 01.07.2025
- Zum 01.07.2025 tritt das Entlastungsbudget (im Gesetz heißt es dann: “Gemeinsamer Jahresbetrag”) für sämtliche Pflegebedürftige ab dem Pflegegrad 2 in Kraft (unabhängig vom Alter!). Verhinderungs- und Kurzzeitpflege können damit flexibel genutzt werden.
- Es entfällt für alle Pflegebedürftigen ab dem Pflegegrad 2 die Voraussetzung einer sechsmonatigen Vorpflegezeit und es verlängert sich der Nutzungszeitraum von sechs auf acht Wochen. Auch das hälftige Pflegegeld wird dann für acht Wochen gezahlt. Außerdem stellt § 39 Abs. 1 S. 2 SGB XI ab 01.07.2025 klar, dass ein Antrag auf Gewährung der Verhinderungspflege – vor ihrer Durchführung – nicht erforderlich ist. Nur die spätere Kostenerstattung muss beantragt werden. Dies wird überwiegend schon jetzt so praktiziert.
Übersicht über die Beträge der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege bzw. das Entlastungsbudget / den Gemeinsamen Jahresbetrag in der Zeit ab 01.01.2025 und ab 01.07.2025
Beachte: In der Zeit vom 01.01. bis 30.06.2025 gewährte Leistungen werden auf die Leistungen ab 01.07.2025 angerechnet (vgl. § 144 Abs. 6 SGB XI (in der Fassung ab 01.07.2025)). Hier eine Übersicht über die Beträge:
In der Grafik oben wird in zwei Zeiträume unterteilt:
- Zeitraum vom 01.01.2025 bis 30.06.2025
- Zeitraum ab 01.07.2025
Für die Zeit bis 30.06.2025 beträgt …
- … die Verhinderungspflege (VP) nach § 39 SGB XI 1.685 Euro. Hinzu kommt ein anteiliger Erhöhungsbetrag der Kurzzeitpflege in Höhe von 843 Euro (= 2.528 Euro).
- … die Kurzzeitpflege (KZP) nach § 42 SGB XI 1.854 Euro. hinzu kommt ein anteiliger Erhöhungsbetrag der Verhinderungspflege in Höhe von 1.685 Euro (= 3.539 Euro).
Für die Zeit ab 01.07.2025 beträgt…
- … das einheitliche Budget für die VP/KZP insgesamt bis zu 3.539 Euro.
- Beachte: Der leistungsberechtigten Person steht der Betrag in Höhe von 3.539 Euro also nur einmal zu!
Für das Entlastungsbudget / Gemeinsamer Jahresbetrag gilt …
- … in Zeitraum 1: § 39 Abs. 4 SGB XI: Nur Pflegebedürftige mit Pflegegrad 4 oder 5, sofern sie noch nicht 25 Jahre alt sind haben ein Gesamtbudget in Höhe von 3.539 Euro zur Verfügung (1.685 Euro VP + 1.854 Euro KZP)
- … in Zeitraum 2: § 42a SGB XI ersetzt § 39 Abs. 4 SGB XI und regelt das Entlastungsbudget / den Gemeinsamen Jahresbetrag nunmehr für alle Pflegebedürftigen ab dem Pflegegrad 2. Höhe wie in Zeitraum 1 beschrieben.
In der Zeit vom 01.01. bis 30.06.2025 gewährte Leistungen werden auf die Leistungen ab 01.07.2025 angerechnet.
Unterstützen Sie die Arbeit der Lebenshilfe mit einer Spende: Helfen Sie uns dabei, weiterhin für die Rechte von Menschen mit Behinderung, für ihre Angehörigen und Familien einzustehen.
Gerichtsentscheidungen
- Kein Anspruch auf Pflegegeld in einer besonderen Wohnform: Das Bayerische Landessozialgericht hat entschieden, dass die Bewohner*innen besonderer Wohnformen kein Pflegegeld beanspruchen können, da sie nicht häuslich gepflegt werden (Bayerisches LSG, Urteil vom 22.09.2022 – Az: L 4 P 56/21). Dies hat das BSG leider bestätigt (BSG, Urteil vom 05.09.2024 – Az: B 3 P 9/22 R.). Das Urteil des BSG ist noch nicht veröffentlicht (Stand 09.12.2024).
- Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen: Das BSG hat am 30.11.2023 entschieden, dass eine videogestützte Türöffnungsanlage keine von der Pflegeversicherung zu bezuschussende Maßnahme der Wohnumfeldverbesserung ist (Urteil zu B 3 P 5/22 R). Vielmehr geht es dabei um ein der Zuständigkeit der Krankenversicherung zuzurechnendes Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich (vgl. die Besprechung im Rechtsdienst der Lebenshilfe 3/2024).
- Informationspflichten der Pflegeversicherung rund um den Entlastungsbetrag: Unterlässt die Pflegeversicherung dazu jede Beratung, kann ein Pflegebedürftiger so zu stellen sein, wie er ohne den Beratungsfehler stehen würde. D. h. er bekommt die geltend gemachten Entlastungsleistungen, wenn die regulären Voraussetzungen für den Kostenerstattungsanspruch vorliegen; also u. a. der Leistungserbringer nach Landesrecht anerkannt ist. Das hat das Bundessozialgericht aktuell entschieden (BSG, Urteil vom 30.08.2023 – Az: B 3 P 4 /22 R). In diesem Zusammenhang hat das Gericht auch noch mal auf die gesetzliche Regelung hingewiesen, wonach die Pflegekasse auf Anforderung eine Übersicht über die Angebote zur Unterstützung im Alltag übermitteln muss – auch hierüber muss sie die pflegebedürftige Person aufklären.
Rechtsdienst der Lebenshilfe: In unserem Rechtsdienst widmen wir uns regelmäßig aktuellen Entscheidungen der Sozial-, Verwaltungs- und Zivilgerichte aller Instanzen sowie des Bundesverfassungsgerichts und bereiten diese für die Leserschaft verständlich auf.
Wer bekommt welche Leistungen der Pflegeversicherung?
Pflegegrad, Antrag und weitere Voraussetzungen wie z. B. der Wohnort
Die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach dem Sozialgesetzbuch 11 (SGB XI) erhält, wer:
- einen Pflegegrad hat und
- einen Antrag bei der Pflegekasse stellt.
- Der pflegebedürftige Mensch muss außerdem in den letzten zehn Jahren vor der Antragstellung mindestens zwei Jahre (Vorversicherungszeit) pflegeversichert gewesen und immer noch versichert sein. Bei pflegebedürftigen Kindern kommt es auf die Vorversicherungszeit der Eltern an.
- Der Anspruch darf nicht ruhen (das ist zum Beispiel manchmal bei Auslandsaufenthalten der Fall), ausgeschlossen (wegen Missbrauch) oder erloschen sein (wegen Beendigung der Mitgliedschaft in der Versicherung).
Wichtig zu wissen: Die Leistung der Pflegeversicherung hängt außerdem von der Wohnform des Menschen ab. Weitere Informationen dazu haben wir hier zusammengestellt:
- Häusliche Pflegeleistungen (z. B. Pflegesachleistung, Pflegegeld, Wohngruppenzuschlag, Entlastungsbetrag und Verhinderungspflege) sind möglich für Menschen, die allein, mit einem Partner zusammen, bei den Eltern oder in einer Wohngruppe leben (siehe unten noch ausführlich zur Wohngruppe).
- Diese Leistungen kommen nicht in Betracht, wenn Pflegebedürftige in einer stationären Pflegeeinrichtung (Pflegeheim) oder in einer Einrichtung nach § 71 Abs. 4 SGB XI gepflegt werden (vgl. § 36 Abs. 4 SGB XI). Das kann auch eine Wohngruppe sein (siehe unten). In manchen Fällen gibt es anteilige Leistungen, wenn jemand z. B. für eine Zeit lang zu seinen Eltern zurückkehrt und dort versorgt wird (vgl. die Ausführungen zu den jeweiligen Leistungen wie Pflegegeld, Verhinderungspflege usw.).
- Für die Pflege von Menschen (ab Pflegegrad 2) in besonderen Wohnformen zahlt die Pflegekasse (ab 01.01.2025) nur 278 Euro monatlich. Das Geld bekommt der Träger der Wohnform oder der Träger der Eingliederungshilfe. Der Grund: In den besonderen Wohnformen erbringt die Wohnform die Pflegeleistungen.
- Die Lebenshilfe fordert schon lange eine Änderung dieser Vorschrift (§ 43a SGB XI), damit auch die Menschen in besonderen Wohnformen die ambulanten Leistungen der Pflege abrufen dürfen – bislang aber erfolglos (vgl. dazu das Positionspapier der Bundesvereinigung Lebenshilfe).
- Nur für die Zeit, in der pflegebedürftige Menschen mit Behinderung zu Hause z. B. bei ihren Eltern oder Geschwistern sind, können sie zum Beispiel anteilig Pflegegeld bekommen. Das steht in § 43a Sozialgesetzbuch XI. Dort heißt es auch, dass die Tage der An- und Abreise als volle Tage der häuslichen Pflege gelten, für die Pflegegeld zu zahlen ist.
- Pflegeberatung: Wer in einer besonderen Wohnform lebt, darf sich beraten lassen, aber ist nicht dazu verpflichtet (vgl. am Ende die Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche).
- Seit 1. Januar 2020 ist eine Richtlinie in Kraft (§ 71 Absatz 4 SGB XI; abrufbar unter www.gkv-spitzenverband.de), die helfen soll, zwischen einer ambulanten und einer quasi-stationären Versorgung in der Behindertenhilfe zu entscheiden. Danach ist davon auszugehen, dass die häuslichen Pflegeleistungen für bisher als ambulant geltende WG auch weiterhin gewährt werden. Das bedeutet, dass den Bewohnern nach wie vor die Leistungen für die häusliche Pflege zustehen. Etwas anderes kommt nach der Richtlinie nur dann in Betracht, wenn sich die Versorgungsform geändert hat. Die Richtlinie spielt in der Praxis bisher keine große Rolle.
- Für Menschen, die eine neue WG gründen, kommt es nach der Richtlinie darauf an, ob sie mit dem Leistungserbringer einen Wohn- und Betreuungsvertrag (WBVG) abgeschlossen haben und die Organisation der WG in der Gesamtverantwortung des Leistungserbringers liegt. Die Gesamtverantwortung kann sich auf die Unterkunft, die Verpflegung und die Gestaltung des Alltags beziehen. Gesamtverantwortung kann auch dann vorliegen, wenn die Bewohner ihre eigenen Möbel mitgebracht haben.
- Die Gesamtverantwortung des Leistungsanbieters spricht gegen eine ambulante Wohnform. Was dann? Dann bekommen die Bewohner nicht die Leistungen für die häusliche Pflege (z.B. Pflegegeld und Wohngruppen-Zuschlag). Vielmehr zahlt die Pflegekasse unter diesen Umständen monatlich pauschal (ab 01.01.2025) nur maximal 278 Euro für ihre Pflege (siehe oben). Das ist auch möglich, wenn die umfassende Versorgung erst zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch genommen werden soll, aber bereits vertraglich vereinbart wurde (im WBVG-Vertrag, s. o.; vgl. dazu das Positionspapier der Bundesvereinigung Lebenshilfe).
- Wer in einer WG lebt, häusliche Pflegeleistungen beantragt und eine Ablehnung bekommt, sollte dagegen Widerspruch einlegen, wenn sich an der bisherigen Form des Wohnens nichts geändert hat und bis Ende 2019 die ambulanten Leistungen der Pflegeversicherung wie z.B. der Wohngruppenzuschlag bewilligt worden waren.
- Außerdem kann sich ein Anspruch auf die Pflegeleistungen daraus ergeben, dass der Antragsteller sich auf Bestandsschutz berufen darf (§ 145 SGB XI). Das ist – verkürzt gesagt – dann der Fall, wenn der Antragsteller am 01.01.2017 in einer Wohnform gelebt hat, in der er die ambulanten Pflegeleistungen bekommen konnte. Bei Fragen zum Bestandsschutz sollte man sich beraten lassen.
- Für Menschen im Pflegeheim übernimmt die Pflegeversicherung einen Teil der Kosten für die Pflege in der stationären Einrichtung (vgl. § 43 SGB XI). Der sogenannte Eigenanteil bei einer Versorgung in einem Pflegeheim gemäß SGB XI wird wie folgt reduziert:
- 15 % Zuschuss zu den pflegebedingten Aufwendungen im ersten Jahr des Aufenthalts
- 30 % Zuschuss im zweiten Jahr
- 50 % Zuschuss im dritten Jahr
- später 75 %
- Der pflegebedürftige Mensch muss dann immer noch einen hohen Eigenanteil aus eigener Tasche für die Pflege zahlen. Das schaffen viele Menschen nicht und sind dann häufig gezwungen, Sozialhilfe zu beantragen (Hilfe zur Pflege).
- Beachte: Die Kosten für die Unterkunft und Verpflegung muss die/der Pflegebedürftige selbst bezahlen. Stationäre Pflege kann vorübergehend auch in Form der Kurzzeitpflege stattfinden. Auch in diesem Fall muss der pflegebedürftige Mensch selbst die Kosten für die Unterkunft und Verpflegung tragen.
- Darüber hinaus gibt es noch Leistungen für die teilstationäre Pflege (Tages- und Nachtpflege).
- Lebt ein pflegebedürftiger Mensch mit Behinderung in einem Pflegeheim, hängt es vom Einzelfall ab, ob er Eingliederungshilfe für einen Werkstattbesuch bekommen kann. In einem konkreten Fall wurde dies vom Landessozialgericht Baden-Württemberg bejaht (Urteil vom 16.05.2019 – Az: L 7 SO 4797/16; vgl. RdLh 4/2019, S. 193 f.).
Können auch privat Pflegeversicherte die genannten Leistungen bekommen?
Ja, privat Pflegeversicherte müssen Verträge haben, die nach Art und Umfang mit den oben genannten Leistungen der sozialen Pflegeversicherung gleichwertig sind (§ 23, § 110 SGB XI). Darauf weist das Bundessozialgericht in einem Urteil vom 30.08.2023 (Az: B 3 P 4/22 R) noch einmal ausdrücklich hin. Die Entscheidung ist abrufbar unter B 3 P 4/22 R | Sozialgerichtsbarkeit Bundesrepublik Deutschland (dort Rz. 17).
Was gilt für Menschen, die von der privaten in die soziale Versicherung wechseln oder umgekehrt?
- Beispiel: Frau H. hat eine Behinderung und bezieht Pflegegeld nach dem Pflegegrad 3. Ihre Eltern sind als Beamte privat versichert und haben ihre Tochter zunächst privat mitversichert. Später möchte Frau H. in die soziale Pflegeversicherung wechseln. Sie fragt, ob sie dann nahtlos das Pflegegeld weiter erhalten wird.
Hier sind zwei Punkte zu beachten:
- Die Zuordnung zu einem Pflegegrad durch die private Pflegeversicherung kann nicht in die soziale Pflegeversicherung “mitgenommen” werden.
- D. h. es erfolgt eine neue Pflegebegutachtung durch die soziale Pflegeversicherung. Das Ergebnis kann sein, dass derselbe Pflegegrad wie bisher zuerkannt wird. Möglich ist aber auch, dass kein Pflegegrad bzw. ein höherer oder niedrigerer Pflegegrad zuerkannt wird, als die private Pflegeversicherung angenommen hatte. Ob Frau H. weiterhin Pflegegeld nach dem Pflegerad 3 bekommen kann, wird davon abhängen, ob die neue Begutachtung ebenfalls zu einer Einordnung in den Pflegegrad 3 führt.
- Wurde ein Pflegegrad festgestellt, stellt sich die weitere Frage, ab wann die Versicherten von der neuen Versicherung Leistungen bekommen können – sofort oder müssen sie erst eine Wartezeit zurücklegen?
- Normalerweise muss die Mitgliedschaft erst eine gewisse Zeit bestehen, bevor die soziale Pflegeversicherung Leistungen wie z. B. das Pflegegeld erbringt (2 Jahre innerhalb der letzten 10 Jahre; sog. Vorversicherungszeit). Mitglieder, die gerade erst aus der privaten in die soziale Versicherung wechseln, erfüllen diese Zeit nicht.
- Die gute Nachricht: Die bereits in der privaten Pflegeversicherung zurückgelegte Versicherungszeit wird in der Regel angerechnet (§ 33 Abs. 3 SGB XI). D. h. es wird so getan, als ob die/der Versicherte schon die ganze Zeit über Mitglied der sozialen Pflegeversicherung war. So können auch Menschen, die neu in der sozialen Pflegeversicherung versichert sind, die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung beanspruchen. Die Anrechnung erfolgt, wenn eine Person wegen des Eintritts der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung aus der privaten Pflegeversicherung ausscheidet. Oder wenn ein Mensch aus der privaten Pflegeversicherung ausscheidet, um familienversichert zu sein (§ 25 SGB XI).
Umgekehrter Fall: Wechsel von der sozialen Pflegeversicherung in die private Versicherung:
- Beispiel: Herr B. hat den Pflegegrad 3 und ist seit vielen Jahren in der sozialen Pflegeversicherung versichert. Er möchte in die private Versicherung wechseln und fragt, ob und ggf. welche Ansprüche ihm dann zustehen werden.
Auch hier sind wieder zwei Punkte zu beachten:
- Herr B. muss zunächst neu begutachtet werden, d .h. es wird neu entschieden, welcher Pflegegrad ihm zusteht, s. o.
- Die Vorversicherungszeit in der sozialen Pflegeversicherung wird zu seinen Gunsten angerechnet (vgl. § 23 Abs. 6 Nr. 2 SGB XI); und zwar für die nunmehr privat versicherte Person selbst als auch für die familienversicherten Familienangehörigen und den Lebenspartner der versicherten Person.
Können Menschen ohne Pflegegrad Leistungen der Pflegeversicherung bekommen?
Menschen ohne Pflegegrad können von der Pflegeversicherung keine Leistungen abrufen. Auch Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII kommt für sie nicht in Betracht, weil diese Leistungen ebenfalls einen Pflegegrad voraussetzen. Gerichte haben aber trotzdem im Einzelfall schon zugunsten der Menschen mit Beeinträchtigung entschieden, dass der Regelsatz z. B. der Grundsicherung gem. SGB XII nach oben festzusetzen sei, damit keine ungedeckten Bedarfe entstehen. In anderen Verfahren wurde im Einzelfall eine Hilfe in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB XII, Altenhilfe oder Hilfe zur Weiterführung des Haushalts gewährt (vgl. dazu Sächsisches LSG, Urteil vom 21.01.2020 – Az: L 8 SO 63/19; Besprechung im Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/2020, S. 188 f. Vgl. zur Weiterführung des Haushalts nach § 70 SGB XII: Rechtsdienst der Lebenshilfe Heft 4/2023).
Welche Pflegegrade gibt es, wie bekomme ich einen (höheren) Pflegegrad und wie lange dauert das?
- Der pflegebedürftige Mensch stellt einen Antrag bei der Pflegekasse.
- Das kann auch ein Angehöriger oder eine andere Person seines Vertrauens übernehmen (dann eine Vollmacht beifügen).
- Ein Antrag ist auch dann zu stellen, wenn ein höherer Pflegegrad angestrebt wird (sogenannte Höherstufung).
Danach gibt es in der Regel eine Begutachtung durch den Medizinischen Dienst Bund oder anderer Gutachter. (Was bei der Begutachtung zu beachten ist, steht in den sogenannten Begutachtungsrichtlinien vom 21. August 2024, die Sie auf den Seiten des Medizinischen Dienstes Bund finden.)
- Dieser untersucht und befragt den pflegebedürftigen Menschen meistens zu Hause. Nur ausnahmsweise darf die Untersuchung in der Häuslichkeit unterbleiben. Dann kommt unter Umständen ein Telefoninterview in Betracht (§ 142a SGB XI).
- So kann die Gutachter*in feststellen, ob und in welchem Maß Pflegebedarf besteht.
- Dafür werden die Fähigkeiten geprüft und es wird eingeschätzt, ob die Pflegedürftigkeit voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird.
- Für den pflegebedürftigen Menschen kann es eine Hilfe sein, wenn bei diesem Termin ein Angehöriger oder eine andere Vertrauensperson dabei ist.
Tipp: Beginnen Sie am besten einige Wochen vor Ihrer Begutachtung damit, ein Pflegetagebuch zu führen (Probleme aus dem Alltagsleben notieren) und halten Sie zu dem Termin ärztliche Atteste, Krankenhausberichte usw. bereit.
- Auf der Grundlage des Gutachtens trifft die Pflegekasse ihre Entscheidung über den Pflegegrad.
- Der Antragsteller erhält einen Bescheid über den Pflegegrad oder die Ablehnung eines Pflegegrades. Natürlich bekommt er auch das Gutachten.
- Wer mit der Entscheidung der Pflegekasse nicht einverstanden ist, legt gegen den Bescheid Widerspruch ein.
- Wichtig ist es, die Widerspruchsfrist von 1 Monat zu beachten. Die Frist beginnt zu laufen, wenn der Bescheid der Pflegekasse im Briefkasten der pflegebedürftigen Person liegt.
- Der Widerspruch muss nicht begründet werden, aber ohne eine gute Begründung wird der Widerspruch in der Regel nicht erfolgreich sein.
Beachte: Gegen das Gutachten (das dem Bescheid zugrunde liegt) ist ein Widerspruch nicht möglich.
- Hinweis: Die Pflegekasse muss dem Antragsteller spätestens 25 Arbeitstage nach dem Antrag ihre Entscheidung über den Pflegegrad mitteilen. Unter Umständen muss dies sogar innerhalb 1 Woche geschehen (z. B. wenn Antragsteller sich im Krankenhaus oder Hospiz befindet). Schafft die Pflegekasse das nicht, dann kann es sein, dass sie für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung 70 Euro an den Antragsteller zahlen muss. Das gilt aber nur, wenn die Pflegekasse die Fristüberschreitung zu verantworten hat (vgl. § 18c Abs. 5 SGB XI).
- Hinweis: Das Sozialgericht Marburg hat am 12.01.2024 entschieden, dass Verzögerungen beim Gutachter unter bestimmten Voraussetzungen der Pflegekasse zuzurechnen sind (Urteil zu S 19 P 4/23).
- Tipp: Die Zahlung der 70 Euro muss bei der Pflegekasse beantragt werden. Gegen die Ablehnung ist Widerspruch einzulegen. Erst danach ist eine Klage zulässig (vgl. SG Speyer, Gerichtsbescheid vom 13.04.2023 – Az: S 9 P 164/22; Rechtsdienst der Lebenshilfe Heft 4/2023).
- Pflegegrad 1 ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte
- Pflegegrad 2 ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte
- Pflegegrad 3 ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte
- Pflegegrad 4 ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkte
- Pflegegrad 5 ab 90 bis 100 Gesamtpunkte
- oder ausnahmsweise auch unter 90 Gesamtpunkte, wenn beide Arme und beide Beine gebrauchsunfähig sind (so die Formulierung in den Begutachtungsrichtlinien)
Für Kinder bis zu 18 Monaten gelten andere Punktewerte (kein Pflegegrad 1):
- Pflegegrad 2 ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkte
- Pflegegrad 3 ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkte
- Pflegegrad 4 ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkte
- Pflegegrad 5 ab 70 bis 100 Gesamtpunkte sowie im o.g. Ausnahmefall
Mehr über die Leistungen der Pflegeversicherung
Diese Leistungen der Pflegeversicherung gibt es:
- Pflegesachleistungen (ab Pflegegrad/PG 2)
- Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen (ab PG 2)
- Kombination von Pflegesachleistung und Geldleistung (ab PG 2)
- Verhinderungspflege (ab PG 2)
- Pflegehilfsmittel und wohnumfeldverbessernde Maßnahmen (ab PG 1)
- Tages- und Nachtpflege (ab PG 2)
- Kurzzeitpflege (ab PG 2)
- Vollstationäre Pflege (ab PG 2; ab PG 1: 131 Euro monatlich ab 01.01.2025)
- Pflege in besonderen Wohnformen: Pauschale nach § 43a SGB XI (ab PG 2)
- Zusätzliche Betreuung und Aktivierung in stationären Pflegeeinrichtungen (ab PG 1)
- Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegepersonen (ab PG 2)
- Zusätzliche Leistungen bei Pflegezeit und kurzzeitiger Arbeitsverhinderung (ab PG 1)
- Pflegekurse für Angehörige und ehrenamtliche Pflegepersonen (ab PG 1)
- Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrages (ab PG 2)
- Entlastungsbetrag (131 Euro monatlich ab 01.01.2025 / ab PG 1)
- Leistungen des persönlichen Budgets
- Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen (ab PG 1)
- Pflegeberatung (ab PG 1)
- Anschubfinanzierung bei Gründung von ambulant betreuten Wohngruppen (ab PG 1)
- Sterbebegleitung
- Digitale Pflegeanwendungen
- Anspruch auf digitale Pflegeanwendungen, soweit die Anwendung nicht wegen Krankheit oder einer Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten ist (§ 40a SGB XI).
- Aus dieser Formulierung des Gesetzestextes folgt, dass der Anspruch für Menschen mit Beeinträchtigung oftmals wohl eher aus dem SGB IX abzuleiten sein wird; ein Anspruch gegen die Pflegeversicherung dürfte für diesen Personenkreis in den meisten Fällen hingegen ausscheiden. Zusätzlich gibt es noch eine ergänzende Unterstützung (maximal 53 Euro pro Monat ab 01.01.2025) bei Nutzung von digitalen Pflegeanwendungen (vgl. dazu auch weiter die Ausführungen zur Hilfe zur Pflege).
Beachte: Je niedriger der Pflegegrad, desto niedriger ist der Pflegebedarf und umso geringere Leistungen sieht das Gesetz vor. Vor allem Menschen mit Pflegegrad 1 können deshalb viele Leistungen, wie zum Beispiel das Pflegegeld, nicht bekommen.
Die Pflegesachleistungen
Die Höhe der Sachleistungen hängt vom Pflegegrad ab (ab 01.01.2025):
- Pflegegrad 1: keine Pflegesachleistungen
- Pflegegrad 2: bis zu 796 Euro
- Pflegegrad 3: bis zu 1.497 Euro
- Pflegegrad 4: bis zu 1.859 Euro
- Pflegegrad 5: bis zu 2.299 Euro
Hinweis: Menschen, die Pflegesachleistungen beziehen, dürfen sich beraten lassen, aber sie müssen es nicht (Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche).
Das Pflegegeld
Das Pflegegeld gibt es für Menschen ab dem Pflegegrad 2 als Festbetrag in der folgenden Höhe (ab 01.01.2025):
- Pflegegrad 2: 347 Euro
- Pflegegrad 3: 599 Euro
- Pflegegrad 4: 800 Euro
- Pflegegrad 5: 990 Euro
Wer Pflegegeld bezieht, muss sich regelmäßig in seiner eigenen Häuslichkeit beraten lassen. Beim Pflegegrad 2 und 3 muss man sich einmal pro Halbjahr beraten lassen. Beim Pflegegrad 4 und 5 muss man sich einmal im Vierteljahr beraten lassen. Dann wird geschaut, ob der pflegebedürftige Mensch gut versorgt ist oder vielleicht mehr Pflege beziehungsweise andere Leistungen benötigt. Wer diese Beratung ablehnt, muss damit rechnen, dass das Pflegegeld gekürzt oder gar nicht mehr gezahlt wird. Das steht in § 37 Absatz 6 Sozialgesetzbuch XI. Wird anlässlich der Pflegeberatung ein Pflegedefizit festgestellt, kann sich die Frage stellen, ob das Pflegegeld weiterhin bewilligt wird (vgl. Rechtsdienst der Lebenshilfe, Heft 4/2023).
Gut zu wissen: Bis 31. März 2027 darf jede zweite Beratung auf Wunsch der pflegebedürftigen Person als Videokonferenz stattfinden. Die erste Beratung muss in dem Wohnbereich der pflegebedürftigen Person erfolgen.
Vergleiche dazu die folgenden Beispiele:
- Beispiel: Frau V. bekommt schon seit mehreren Jahren Pflegegeld. Die letzte Beratung zum Pflegegeld fand bei ihr zuhause statt. Sie fragt, ob sie sich nächstes Mal per Video beraten lassen kann. Ja, das ist möglich, weil sie letztes Mal zuhause beraten wurde. Nach der Regel darf jede zweite Beratung per Video erfolgen.
- Beispiel: Herr P. hat vor einiger Zeit den Pflegegrad 2 neu bekommen und erhält nun Pflegegeld. Nun gibt es einen ersten Termin für die Beratung. Er möchte wissen, ob er sich per Video beraten lassen kann. Nein, das geht nicht. Im Gesetz steht, dass die erste Beratung keine Video-Beratung sein darf.
- Beispiel: Herr A., der auch Pflegegeld bekommt, möchte keine Beratung per Video. Er findet es besser, wenn jemand zu ihm nach Hause kommt. In diesem Fall findet keine Video-Beratung statt. Nur auf Wunsch des pflegebedürftigen Menschen wird per Video beraten; nicht gegen seinen Willen.
Gut zu wissen: Frau F. hat den Pflegegrad 1 und kann kein Pflegegeld bekommen (erst ab Pflegegrad 2). Deshalb muss sie sich auch nicht beraten lassen. Aber: Falls sie möchte, darf Frau F. einmal pro Halbjahr eine Beratung abrufen (zuhause oder per Video, siehe oben). Das Gleiche gilt für Menschen, die Pflegesachleistungen bekommen.
Beachte: Telefonische Beratung ist nicht möglich: Eine telefonische Beratung gibt es nicht für Personen, die Pflegegeld bekommen. Telefonische Beratung kommt nur bei der Pflege-Begutachtung in Betracht (also für die Untersuchung, ob eine Person einen Pflegegrad bekommt) – aber nicht für Menschen, die schon Pflegegeld erhalten und sich deshalb regelmäßig beraten lassen müssen (vgl. 142a SGB XI).
- Es gibt auch Regelungen zu den Beratungsbesuchen: Diese stehen in den Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche vom 21. Mai 2019. Hier steht drin, wer beraten wird, wo die Beratung stattfindet, was alles für eine gelungene Pflegeberatung zu beachten ist und wer die Beratung durchführt (in der Regel eine Pflegefachkraft).
- Pflegegeld, Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege: Die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes wird während einer Verhinderungspflege für bis zu sechs Wochen pro Kalenderjahr weitergezahlt. Eine Weiterzahlung bis zu acht Wochen kommt für Pflegebedürftige in Betracht, die den Pflegegrad 4 oder 5 haben und noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben. Für die Kurzzeitpflege gilt: Die Hälfte des Pflegegeldes wird für bis zu acht Wochen pro Kalenderjahr weitergezahlt.
Wem steht das Pflegegeld zu?
Das Pflegegeld steht allein dem pflegebedürftigen Menschen zu. Er allein entscheidet, ob er es vollständig, teilweise oder gar nicht an die Personen weitergibt, die sich um ihn kümmern. Auch die Klage auf Zahlung von Pflegegeld kann deshalb nur von der/dem Pflegebedürftigen erhoben werden und beispielsweise nicht von einem Angehörigen (vgl. Landessozialgericht Hessen, Beschluss vom 05.03.2021 – Az: L 6 P 4/21 B: Hessisches LSG, Beschluss vom 05.03.2021 - L 6 P 4/21 B ER).
Nein, in diesem Fall besteht kein Anspruch auf anteiliges Pflegegeld für die Zeit zuhause. Das anteilige Pflegegeld wird nur gezahlt, wenn ein pflegebedürftiger Mensch (mindestens Pflegegrad 2) aus einer besonderen Wohnform bzw. einer Wohnform gem. § 43a SGB XI nach Hause zurückkehrt oder für eine festgelegte Zeit auch bei Kurzzeit- und Verhinderungspflege. So steht es – leider – im Gesetz (vgl. § 38 S. 5 SGB XI).
Deshalb hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg am 23.04.2021 eine Klage auf Zahlung von anteiligem Pflegegeld abgewiesen (Urteil vom 23.04.2021 – Az: L 4 P 3887/19); die Klägerin war aus einer Pflegeeinrichtung gemäß SGB XI vorübergehend in das Elternhaus zurückgekehrt.
Das Pflegegeld darf nicht gepfändet werden; und zwar auch nicht nach Weiterleitung an die Pflegeperson (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 20.10.2022 – Az: IX ZB 12/22; Rechtsdienst der Lebenshilfe Heft 2/2023, S. 98.; hier abrufbar).
Das Pflegegeld wird oftmals dafür eingesetzt, von einem Pflegedienst Pflegeleistungen „einzukaufen“. Dafür schließen der pflegebedürftige Mensch und ein ambulanter Pflegedienst einen sogenannten Pflegevertrag ab.
- Der Pflegevertrag mit einem ambulanten Pflegedienst muss mindestens Angaben über Art, Inhalt und Umfang der Leistungen enthalten (§ 120 Sozialgesetzbuch XI). Im Pflegevertrag soll auch stehen, ob Pflegebedürftige ab Pflegegrad 2 die Leistungen weiterer Anbieter in Anspruch nehmen (bzw. nehmen möchten) und welche Beträge von dem Pflegegeld in diesem Fall noch zur Verfügung stehen. Also: Wieviel Geld bleibt noch übrig, wenn ich den Pflegedienst zu einem bestimmten Preis beauftrage? Dieses Geld kann dann eventuell für Angebote zur Unterstützung im Alltag ausgegeben werden. Schon bestehende Pflegeverträge, die diese Angaben noch nicht enthalten, sollten im Interesse des pflegebedürftigen Menschen angepasst werden.
- Die Auskunft, wieviel Geld von dem Pflegegeld noch übrig ist, ist für pflegebedürftige Menschen wichtig, um den Überblick zu behalten.
- Die neuen Informationen helfen zudem Menschen, die von ihrem Umwandlungsrecht Gebrauch machen möchten: Sie erfahren, in welcher Höhe ein teilweise nicht abgerufener Sachleistungsbetrag für ein Angebot zur Unterstützung im Alltag genutzt werden kann. Zu beachten ist, dass höchstens ein Betrag von 40 % des Sachleistungsanspruchs für Angebote zur Unterstützung im Alltag eingesetzt werden darf. Das steht in § 45a Abs. 4 SGB XI.
- Beachte: Der Pflegevertrag kann von dem pflegebedürftigen Menschen jederzeit ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden. Das steht ausdrücklich so im Gesetz (§ 120 Absatz 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch XI).
Pflegehilfsmittel
Viele Menschen, die in häuslicher Umgebung gepflegt werden, bekommen neben dem Pflegegeld oder der Pflegesachleistung auch noch Hilfsmittel von der Pflegeversicherung. Es gibt Hilfsmittel, die zum Verbrauch bestimmt sind (z. B. Windeln) und technische Hilfsmittel (z. B. Rollstuhl, Pflegebett usw.). Für die zum Verbrauch bestimmten Hilfsmittel werden ab 01.01.2025 monatlich 42 Euro zur Verfügung gestellt.
Die Hilfsmittel sollen das Leben erleichtern. Wer in einer besonderen Wohnform lebt, bekommt diese Hilfsmittel entweder von dem Träger der Wohnform oder der Krankenkasse. Ein Anspruch gegen die Pflegeversicherung besteht dann nicht.
Neu seit 1. Januar 2022 gilt: Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes regeln jetzt bei häuslicher Pflege die Empfehlungen von Pflegefachkräften zu Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln. Die Richtlinien sind hier abrufbar (gkv-spitzenverband.de).
Hinweis: Mehr zu diesem Thema in unserem Beitrag über die Hilfsmittel der Krankenversicherung.
- Die Pflegekasse muss über einen Antrag auf Pflegehilfsmittel (Ausnahme: zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel) zügig, d. h. spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang entscheiden. Für die Entscheidung sind fünf Wochen ab Antragseingang Zeit, wenn die Pflegekasse eine Pflegefachkraft oder den Medizinischen Dienst dazu befragt, ob die Versorgung mit den Hilfsmitteln notwendig ist.
- Falls die Pflegekasse die oben genannten Fristen (drei oder fünf Wochen) nicht einhalten kann, hat sie dies dem Pflegebedürftigen mitzuteilen und muss auch begründen, weshalb sie die Frist nicht einhalten kann. Unterlässt die Pflegekasse diese Mitteilung, gilt die Leistung mit Ablauf der Frist als genehmigt. In der Sache bedeutet dies wohl einen Anspruch auf Kostenerstattung für die selbst beschaffte Leistung (so zumindest die Rechtsprechung zu einer vergleichbaren Vorschrift im Krankenversicherungsrecht). Das steht in § 40 Abs. 7 SGB XI.
Wohnumfeldverbessernde Maßnahmen
Für Anträge auf einen Zuschuss für wohnumfeldverbessernden Maßnahmen (z. B. Umbau des Bads; barrierefreie Wohnung, ggf. auch die Umzugskosten usw.) gilt die gleiche Frist für die Pflegekasse wie für die Entscheidung über Anträge auf Pflegehilfsmittel (siehe oben). Der Zuschuss beträgt ab 01.01.2025 maximal 4.180 Euro je Maßnahme bzw. höchstens 16.720 Euro bei mehreren Pflegebedürftigen in einer Wohnung.
Das BSG hat am 30.11.2023 entschieden, dass eine videogestützte Türöffnungsanlage keine von der Pflegeversicherung zu bezuschussende Maßnahme der Wohnumfeldverbesserung ist (Urteil zu B 3 P 5/22 R). Vielmehr geht es dabei um ein der Zuständigkeit der Krankenversicherung zuzurechnendes Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich.
Monatlicher Zuschlag für Bewohner*innen von Wohngruppen nach § 38a SGB XI – wichtige Urteile des Bundessozialgerichts
Ab 01.01.2025 beträgt der monatliche Zuschlag 224 Euro.
Das Bundessozialgericht (BSG) hat im September 2020 in drei Entscheidungen klargestellt, dass die Voraussetzungen für den Wohngruppen-Zuschlag (WG-Zuschlag) großzügig zu verstehen sind. Damit hat es das BSG möglich gemacht, dass in Zukunft mehr Anträge auf WG-Zuschläge bewilligt werden. Die Urteile wurden ausführlich im Rechtsdienst der Lebenshilfe besprochen (Heft 1/2021, Seite 22 ff.). Diese Voraussetzungen, die für den WG-Zuschlag vorliegen müssen, haben wir hier zusammengefasst.
- Der pflegebedürftige Mensch muss mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten WG in einer gemeinsamen Wohnung zusammenleben.
- Das BSG hat klargestellt: Eine gemeinsame Wohnung ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der persönliche Wohnraum jedes einzelnen Bewohners ebenfalls schon einen eigenen Sanitärbereich und eine Küche(nzeile) hat. Wichtig ist nur, dass allen Bewohnern und ihren Besuchern zu nutzende Gemeinschaftsräume zur Verfügung stehen.
- Von den Mitbewohnern müssen außer dem Antragsteller mindestens zwei weitere Bewohner einen Pflegegrad haben und Leistungen für die häusliche Pflege abrufen. Die Nutzung häuslicher Pflegeleistungen, die oft zumindest den Pflegegrad 2 voraussetzen, muss aber nicht sein – auch Menschen mit dem Pflegegrad 1 können den WG-Zuschlag abrufen (vgl. § 28a SGB XI).
- Die Mitglieder der WG müssen eine Person gemeinschaftlich beauftragt haben, allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder bei der Haushaltsführung zu unterstützen.
- Das BSG hat klargestellt: Beauftragte Person kann auch eine sogenannte juristische Person, also eine Firma/Gesellschaft bzw. ein Verein sein. Es können auch mehrere Personen mit unterschiedlichen Aufgaben beauftragt sein.
- Darüber hinaus hat das BSG klargestellt: Für die gemeinschaftliche Beauftragung müssen keine besonderen Formvorschriften gewahrt werden. Auch müssten nicht alle Mitglieder der (großen) Wohngemeinschaft an der Beauftragung beteiligt sein. Der Auftrag kann vielmehr auch aus der (kleineren) WG herausgestellt werden, also von mindestens drei und maximal zwölf Personen. Eine Wohngemeinschaft kann also aus mehreren Wohngruppen bestehen.
- Wichtig: Es darf keine Versorgungsform vorliegen, die an eine stationäre Versorgung erinnert. Die aktive Einbindung des Bewohners und /oder seines sozialen Umfelds muss im Vertrag über das Wohnen vorgesehen sein. Es kommt nicht darauf an, ob von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird. Auch Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf können ambulant versorgt werden. Der hohe Unterstützungsbedarf führt nicht automatisch dazu, dass eine stationäre Versorgung anzunehmen ist. Das hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil im September 2020 noch einmal betont (Urteil vom 10.09.2020 – Az: B 3 P 2/19 R). Gegen einen ablehnenden Bescheid, der eine stationäre Versorgung unterstellt, obwohl dafür keine Anhaltspunkte gegeben sind, sollte Widerspruch eingelegt werden.
Entlastungsbetrag in Höhe von 131 Euro monatlich (ab 01.01.2025 gemäß § 45b SGB XI)
Jeder häuslich gepflegte Mensch ab dem Pflegegrad 1 hat einen Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber der Pflegekasse, wenn sie oder er zum Beispiel bestimmte Entlastungsleistungen zunächst selbst bezahlt hat. Wichtig ist, dass die Kostenerstattung nur möglich ist, wenn die Leistungsanbieter nach Landesrecht zugelassen sind – also am besten bei der Pflegekasse nachfragen, ob die Kosten später erstattet werden, bevor der Anbieter beauftragt wird.
Unterlässt die Pflegeversicherung dazu jede Beratung, kann ein Pflegebedürftiger so zu stellen sein, wie er ohne den Beratungsfehler stehen würde. Das heißt, er bekommt die geltend gemachten Entlastungsleistungen, wenn die regulären Voraussetzungen für den Kostenerstattungsanspruch vorliegen; also unter anderem der Leistungserbringer nach Landesrecht anerkannt ist. Das hat das Bundessozialgericht aktuell entschieden (BSG, Urteil vom 30.08.2023 – Az: B 3 P 4 /22 R). In diesem Zusammenhang hat das Gericht auch noch mal auf die gesetzliche Regelung hingewiesen, wonach die Pflegekasse auf Anforderung eine Übersicht über die Angebote zur Unterstützung im Alltag übermitteln muss – auch hierüber muss sie die pflegebedürftige Person aufklären.
- Bei den Entlastungsleistungen kann es sich um Angebote der Tages- und Nachtpflege, der Kurzzeitpflege, der ambulanten Pflegedienste (aber nicht im Bereich der Selbstversorgung) und der Angebote zur Unterstützung im Alltag (AUA) handeln. Insbesondere die AUA erfreuen sich großer Beliebtheit (dazu noch weiter unten). AUA dienen dazu, Pflegepersonen zu entlasten und einen Verbleib der pflegebedürftigen Menschen in der Häuslichkeit zu unterstützen (vgl. § 45a SGB XI: § 45a SGB XI Angebote zur Unterstützung im Alltag, Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags).
- Den Entlastungsbetrag dürfen nur häuslich gepflegte Menschen nutzen, d. h. Bewohner besonderer Wohnformen haben keinen Anspruch auf diesen Betrag. Nur wenn sie eine längere Zeit wieder z. B. bei ihren Eltern verbringen, kommt eine anteilige Nutzung des Entlastungsbetrags auch für diesen Personenkreis in Betracht.
- Gut zu wissen ist, dass der Entlastungsbetrag angespart werden darf – immer vom 01.01. eines Jahres bis zum 30.06. eines Folgejahres. Am 01.07. verfallen dann die angesparten Beträge. Beispiel: Vom 01.01.2025 bis 30.04.2025 spart eine pflegebedürftige Person die monatlichen Beträge in Höhe von 131 Euro an. Dieser Betrag kann bis zum 30.06.2026 ausgegeben werden. Andernfalls verfällt er und der pflegebedürftige Mensch verfügt dann am 01.07.2026 lediglich über die in 2026 schon wieder neu entstandenen Beträge (Januar bis April 2026 jeweils 131 Euro, also 5244 Euro).
- Da der Anspruch als Kostenerstattungsanspruch ausgestaltet ist, ist eine Vorabzahlung des Entlastungsbetrags nicht möglich. Nur bei sehr hohen Aufwendungen kann dies ausnahmsweise in Betracht kommen. Auf eine Auszahlung des Betrags (weil man z. B. keinen Leistungsanbieter findet) besteht kein Anspruch.
- Angebote zur Unterstützung im Alltag (AUA): Werden Leistungen von AUA genutzt, werden die verauslagten Kosten hierfür nur dann erstattet, wenn das AUA nach Landesrecht anerkannt war. Deshalb sollte man sich vor einer Nutzung von AUA bei der Pflegekasse erkundigen, ob ein bestimmtes AUA erstattungsfähige Leistungen erbringt. AUA schließen keinen Versorgungsvertrag mit der Pflegeversicherung.
Verhinderungspflege
Aufgrund der besonderen Bedeutung der Verhinderungspflege für Menschen mit Behinderung haben wir dem Thema ein eigenes Kapitel gewidmet. Es folgt direkt im Anschluss.
Verhinderungspflege
Verhinderungspflege für Menschen ab dem Pflegegrad 2 – das ist gut zu wissen:
Was ist Verhinderungspflege?
Wird ein pflegebedürftiger Mensch zu Hause gepflegt, kann es passieren, dass die Pflegeperson – z. B. ein Elternteil – krank wird oder aus anderen Gründen verhindert ist (daher Verhinderungspflege). Dann stellt sich die Frage, wie es mit der Pflege weitergeht.
Bisher gilt noch: Hatte die Pflegeperson den pflegebedürftigen Menschen schon mindestens sechs Monate gepflegt, bevor sie das erste Mal ausfällt, kommt die Verhinderungspflege (§ 39 Sozialgesetzbuch XI) in Betracht. Diese Voraussetzung wird für alle Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 2 zum 01.07.2025 entfallen. Bis zum 30.06.2025 entfällt die sogenannte Vorpflegezeit nur für Pflegebedürftige mit dem Pflegegrad 4 oder 5, sofern sie noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben.
Die Ersatzpflege bzw. Verhinderungspflege kann auch stundenweise abgerufen werden, was sie für pflegebedürftige Menschen bzw. deren Angehörige besonders interessant macht.
Das ist nicht festgelegt. Entweder zuhause – der Vorteil für den pflegebedürftigen Menschen ist, dass er in seiner vertrauten Umgebung bleiben kann. Oder die Ersatzpflege bzw. Verhinderungspflege wird in einem Pflegeheim (SGB XI), einer besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe, einem Krankenhaus oder Internat erbracht.
Gut zu wissen: Die Verhinderungspflege kommt auch als Ferienfreizeit in Betracht. Das gilt auch, wenn dieser Aufenthalt im Ausland stattfindet (Sozialgericht Münster, Urteil vom 16.03.2021 – Az: S 20 P 42/19). Bis zu sechs Wochen wird die Verhinderungspflege im Ausland weiter geleistet. Verhinderungspflege kann auch in Feriencamps oder Ferienheimen erfolgen, die von der jeweiligen Betreuungseinrichtung unterhalten bzw. angeboten werden.
Das wurde schon mehrmals von den Gerichten so entschieden (vgl. Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 29.03.2017 – Az: S 14 P 4109/15 (S 14 P 4109/15 · SG KA · Urteil vom 29.03.2017 · (sozialgerichtsbarkeit.de)) und Bundessozialgericht, Urteil vom 17.05.2000 – Az: B 3 P 9/99 R (B 3 P 9/99 R · BSG · Urteil vom 17.05.2000 · (sozialgerichtsbarkeit.de)). Ausgeschlossen sind nur Versorgungen gemäß § 41 (Tages- und Nachtpflege), § 42 (Kurzzeitpflege) oder § 43 SGB XI (Vollstationäre Pflege).
Während der Verhinderungspflege wird die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes bis zu sechs Wochen im Kalenderjahr weiter gewährt (vgl. § 37 Abs. 2 S. 2 SGB XI). Ab 01.01.2024 bzw. ab 01.07.2025 ist in bestimmten Fällen die Weitergewährung für bis zu acht Wochen zulässig (siehe oben unter Aktuelles, Entlastungsbudget/Gemeinsamer Jahresbetrag).
Verhinderungspflege: Was gilt für Menschen, die in besonderen Wohnformen leben?
Für sie kommt die Verhinderungspflege nicht in Betracht, weil sie nicht häuslich gepflegt werden.
Was gilt aber, wenn pflegebedürftige Menschen, die normalerweise in einer besonderen Wohnform leben, eine Zeit lang zuhause z. B. bei den Eltern oder Geschwistern verbringen und diese als Pflegeperson ausfallen? Kommt in solchen Fällen die Verhinderungspflege in Betracht? (Und damit ggf. die Teilnahme an einer Ferienfreizeit, wie oben beschrieben?)
Jahrelang haben die Pflegekassen die Verhinderungspflege in Situationen wie der oben beschriebenen bewilligt, aber zunehmend wird diese Leistung in solchen Fällen abgelehnt oder nur noch "aus Kulanz" bewilligt.
Das könnte daran liegen, dass die Gerichte und insbesondere auch das Bundessozialgericht die Verhinderungspflege in solchen Fällen leider regelmäßig ablehnen. Das Argument der Gerichte: Bei einer Rückkehr-Möglichkeit in die besondere Wohnform fehle es an der vom Gesetz verlangten "notwendigen" Ersatzpflege. In diesem Fall könne der pflegebedürftige Mensch eben dorthin zurückkehren, wo er normalerweise auch gepflegt werde (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 06.06.2002 – Az: B 3 P 2/02 R, abrufbar unter B 3 P 2/02 R · BSG · Urteil vom 06.06.2002 · (sozialgerichtsbarkeit.de)).
Tipp: Gegen die Ablehnung der Verhinderungspflege sollte dennoch Widerspruch eingelegt werden (siehe unten: Tipp zum Widerspruch). Manchmal kommt es dann wenigstens zu einer positiven "Kulanzentscheidung". Außerdem kann es im konkreten Einzelfall so sein, dass die Ersatzpflege doch "notwendig" ist. Die Pflegekasse kannte dann vielleicht nur nicht die genauen Umstände.
Wichtig ist es deshalb, gut zu begründen, warum die pflegebedürftige Person nicht in die besondere Wohnform zurückkehren kann – wenn dies gelingt, ist die Ersatzpflege "notwendig" und muss bewilligt werden (sofern auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen):
- Möglicherweise ist der Weg vom Elternhaus zurück in die besondere Wohnform besonders weit, für den Bewohner nicht zu bewältigen und etwaige Mobilitätshilfen nicht kurzfristig zu bekommen?
- Möglicherweise hat die besondere Wohnform eine Schließzeit?
- Möglicherweise war die betreffende Person für einen längeren Zeitraum abgemeldet und wegen der Beschäftigung der übrigen Bewohner in einer WfbM wäre nun tagsüber niemand da, um sich um den pflegebedürftigen Menschen zu kümmern?
Tipp: Falls es bei der Ablehnung der Pflegekasse bleibt und die Verhinderungspflege für eine Ferienfreizeit genutzt werden sollte, können Sie einen Teil der Reisekosten für eine Assistenz möglicherweise als Leistung der Eingliederungshilfe bekommen (vgl. dazu die positive Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 19.05.2022 – Az: B 8 SO 13/20 R, Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/2022, S. 171 ff). Günstig war auch schon die Entscheidung des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 17.08.2016 – Az: L 9 SO 15/12; leider nicht kostenfrei abrufbar). Die Ausführungen dort sind immer noch relevant, auch wenn sie zur "alten Eingliederungshilfe" (bis 31.12.2019) ergangen sind.
Unsere Bitte an Sie: Waren Sie mit Ihrem Widerspruch gegen die abgelehnte Verhinderungspflege erfolgreich? Oder haben Sie einen Teil der Kosten für die Ferienfreizeit als Eingliederungshilfe erhalten? Dann würden wir uns über eine Nachricht freuen: claudia.seligmann@lebenshilfe.de.
In der Infobox oben haben wir Sie um Ihre persönlichen Erfahrungen gebeten. Hier eine Rückmeldung, die uns dazu erreicht hat:
"Genau diese Situation habe ich letztes Jahr erlebt. Die Pflegekasse hat eine Freizeit von meiner Tochter nicht bezahlt, weil sie ja in der Einrichtung bleiben hätte können. Dürfen behinderte Menschen keinen Urlaub mehr machen?! Nach Rücksprache mit einem Sachbearbeiter bekam ich die Info, dass ich die Rechnung einfach nochmal einreichen soll. Vielleicht habe ich Glück und die Kosten werden erstattet!!! UNGLAUBLICH Genau das werde ich demnächst nochmal machen. Leider habe ich gegen den negativen Bescheid im November keinen Widerspruch eingereicht.
In einem anderen Fall habe ich tatsächlich beim 2. Anlauf eine Rechnung bezahlt bekommen, die bei der 1. Einreichung abgelehnt wurde. Wichtig ist, dass das Aktenzeichen im Betreff steht und am besten nochmals im Text erwähnt wird. Denn manchmal wird die Rechnung digital abgerechnet. Am besten ist es, wenn immer nur 1 Rechnung pro Antrag eingereicht wird. Diesen Tipp bekam ich auch von dem Sachbearbeiter."
Welche Leistungen umfasst die Verhinderungspflege?
Liegen die Voraussetzungen der Verhinderungspflege vor, übernimmt die Pflegekasse die nachgewiesenen Kosten für die Ersatzpflege für längstens sechs Wochen pro Kalenderjahr.
Ab 01.01.2024 ist die Ersatzpflege in bestimmten Fällen für längstens acht Wochen möglich (siehe oben unter “Aktuelles” ab 2025: Entlastungsbudget/Gemeinsamer Jahresbetrag). Ab 01.07.2025 wird die Ersatzpflege für alle Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 2 für längstens acht Wochen möglich sein. In welcher Höhe die Kosten übernommen werden, hängt davon, wer die Ersatzpflege erbringt:
- Erfolgt die Ersatzpflege durch – nicht erwerbsmäßig bzw. nicht professionell pflegende, wie Verwandte oder Verschwägerte bis zum 2. Grad (z. B. Eltern, Großeltern, Enkelkinder, Geschwister, Schwiegereltern oder Schwager), dann ist die Leistung auf die Höhe des Pflegegelds für bis zu sechs Wochen begrenzt. Das Gleiche gilt bei einer Ersatzpflege durch Menschen, die mit der pflegebedürftigen Person unter einem Dach leben.
- Zu einer Erhöhung kann es durch den Nachweis von Aufwendungen wie etwas für Fahrt oder Übernachtungskosten kommen.
- Beachte: Wenn die Verwandten o. Ä. die Pflege erwerbsmäßig bzw. professionell erbringen, kann es zu einer höheren Kostenerstattung kommen (wie bei Pflege durch Außenstehende).
- Wird die Ersatzpflege durch Außenstehende erbracht, die nicht mit der pflegebedürftigen Person verwandt oder verschwägert sind und auch nicht mit ihr in einer häuslichen Gemeinschaft leben, dann gilt: Die Pflegekasse übernimmt ab 01.01.2025 pro Kalenderjahr einen Betrag in Höhe von 1.685 für den jeweiligen Pflegebedürftigen.
- Eine Erhöhung des Betrags um bis zu 843 Euro ist möglich, wenn die Mittel der Kurzzeitpflege bislang nicht ausgeschöpft wurden. Daraus folgt, dass jährlich maximal Kosten für die Verhinderungspflege in Höhe von 2.528 Euro übernommen werden können.
- Gut zu wissen: Seit 01.01.2024 dürfen Pflegebedürftige mit dem Pflegegrad 4 oder 5, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, das Budget für die Kurzzeitpflege in voller Höhe für die Verhinderungspflege nutzen (und nicht nur in Höhe von 843 Euro / 2025). Ab 01.07.2025 gilt das für alle Pflegebedürftigen ab dem Pflegegrad 2. Das Entlastungsbudget heißt dann Gemeinsamer Jahresbetrag:
Entlastungsbudget für Menschen mit dem Pflegegrad 4 oder 5, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben (bis 30.06.2025)
- Dieser Personenkreis darf das Budget der Kurzzeitpflege in voller Höhe (also 1.854 Euro) für die Verhinderungspflege ausgeben. Vorher müssen aber zuerst die Mittel der Verhinderungspflege in voller Höhe (1.685 Euro) verbraucht worden sein. Erst dann können zusätzlich die Mittel der Kurzzeitpflege in Höhe von 100 % als Verhinderungspflege verwendet werden. Insgesamt stehen dann bis zum 25. Geburtstag 3.539 Euro als Entlastungsbudget zur Verfügung.
- Beachte: Das gilt in der Regel nur bei einer Ersatzpflege durch eine Person, die nicht mit dem pflegebedürftigen Menschen bis zum 2. Grad verwandt oder verschwägert ist oder mit ihm unter einem Dach lebt.
- Bisher war eine Übertragung der Kurzzeitpflege-Mittel auf die Verhinderungspflege nur bis zu 806 Euro gestattet. Oftmals verfiel der Restbetrag des Kurzzeitpflege-Budgets, weil vor allem Eltern mit Kleinkindern diese Leistung nicht nutzen können. Es ist deshalb erfreulich, dass zumindest dem oben genannten Personenkreis nun höhere Leistungen für die Verhinderungspflege zur Verfügung stehen.
- Beachte: Wenn das Entlastungsbudget im Jahr 2024 bis zum 25. Geburtstag in voller Höhe ausgeschöpft wurde, gibt es nach dem 25. Geburtstag in diesem Kalenderjahr keine weiteren Leistungen der Verhinderungspflege oder Kurzzeitpflege von der Pflegeversicherung! Unter bestimmten Voraussetzungen können diese Leistungen vom Sozialamt als Hilfe zur Pflege beansprucht werden.
- Erläuterung: Nur bis zum 25. Geburtstag dürfen erst die Verhinderungspflege und dann die Kurzzeitpflege zu 100% als Verhinderungspflege genutzt werden.
- Beispiel 1: Herr P. hat den Pflegegrad 4 (oder 5) und feiert am 09.03.2025 seinen 25. Geburtstag. Sollte er bis dahin das Budget (aus Mitteln der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege) in voller Höhe genutzt haben, dann steht ihm ab dem 10.03.2025 für das Jahr 2025 kein weiteres Budget für die Verhinderungspflege oder Kurzzeitpflege zur Verfügung (gegebenenfalls Anspruch auf Hilfe zur Pflege).
- Beispiel 2: Nutzt Herr P. bis zum 25. Geburtstag nur die Mittel der Verhinderungspflege (1.612 Euro), dann darf er nach dem 25. Geburtstag im Jahr 2025 (nur) noch 806 Euro des Kurzzeitpflege-Budgets als Verhinderungspflege verwenden. Die 100%ige Nutzung des Kurzzeitpflege-Budgets wäre nur bis zum 25. Geburtstag zulässig gewesen.
- Für Menschen mit dem Pflegegrad 4 oder 5, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, gilt außerdem:
- Es entfällt die Vorpflegezeit, d. h. ihre Pflegeperson muss sie nicht schon sechs Monate gepflegt haben, bevor die Verhinderungspflege genutzt werden darf. Außerdem verlängert sich der Zeitraum der Verhinderungspflege von bisher sechs Wochen auf dann acht Wochen. Das hälftige Pflegegeld wird dann ebenfalls für acht Wochen gezahlt werden.
- Diese Verbesserungen gelten bisher nur für den oben genannten Kreis von Pflegebedürftigen. Sie gelten nicht für Pflegebedürftige mit dem Pflegegrad 2 oder 3 oder für Menschen mit dem Pflegegrad 4 oder 5, wenn diese bereits das 25. Lebensjahr vollendet haben. Erst ab 01.07.2025 wird das Entlastungsbudget für alle Pflegebedürftigen ab Pflegegrad 2 gelten.
- Bereits verauslagte Kosten für die Ersatz-Pflegekraft können noch vier Jahre rückwirkend bei der Pflegekasse geltend gemacht werden.
- Aber: Der noch nicht genutzte Betrag für die Verhinderungspflege muss im jeweiligen Kalenderjahr genutzt werden. Der Betrag ist nicht übertragbar auf das nächste Kalenderjahr! Wer den Betrag in einem Jahr nicht ausgibt, hat nicht im nächsten Kalenderjahr den doppelten Betrag zur Verfügung. Der Betrag für das Vorjahr verfällt stattdessen.
Verhinderungspflege: Weiterführende Tipps zum Widerspruch bei Ablehnung
- Die Frist für den Widerspruch beträgt einen Monat. Gerechnet wird ab Zugang der Ablehnung der Pflegekasse in dem Briefkasten des pflegebedürftigen Menschen.
- Wichtig ist, dass Sie das Geschäftszeichen der Pflegekasse angeben und das Datum des Bescheids sowie den Namen der pflegebedürftigen Person. Den Widerspruch muss der pflegebedürftige Mensch oder ggf. sein Betreuer / gesetzlicher Vertreter unterschreiben.
- Sicherheitshalber sollten Sie sich den Zugang innerhalb der Widerspruchsfrist nachweisen lassen (z. B. telefonisch nachfragen und Namen der Person notieren, die Ihnen den Zugang des Widerspruchs bestätigt hat).
- Der Widerspruch kann zunächst fristwahrend eingelegt werden; also kurz und knapp, ganz ohne Begründung – um zu verhindern, dass die Widerspruchsfrist abläuft und der Bescheid bestandskräftig bzw. verbindlich wird.
- Wichtig: Die ausführliche Begründung kann dann später in Ruhe nachgereicht werden. Allzu viel Zeit sollte man sich allerdings nicht lassen, denn nur mit einer überzeugenden Begründung besteht die Chance, dass die Verhinderungspflege doch noch bewilligt wird.
Muster: "Hiermit lege ich gegen den Bescheid der Pflegekasse vom [Datum einsetzen], zugegangen am [Datum einsetzen], zum Geschäftszeichen [Zeichen einsetzen], Widerspruch gegen die Ablehnung der beantragten Verhinderungspflege ein. Die Begründung folgt in einem gesonderten Schreiben. [Name und Unterschrift]"
- Die Pflegekasse muss innerhalb von drei Monaten über den Widerspruch entscheiden. So steht es im Sozialgerichtsgesetz (§ 88).
Tipp: Sie können auch dann Widerspruch einlegen, wenn die Pflegekasse die „Rechtsbehelfsbelehrung“ vergessen hat, also den Hinweis auf die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen (meistens als Zusatz unterhalb des Schreibens). Das ist eher selten, aber kann schon mal vorkommen. Dann (aber auch nur dann!) verlängert sich die Frist für den Widerspruch auf 1 Jahr.
FAQ: Fragen und Antworten zu den Leistungen der Pflegeversicherung
- Gibt es die Verhinderungspflege auch im Ausland?
- Ja, die Verhinderungspflege kann bis zu sechs Wochen auch im Ausland verlangt werden.
- Gibt es den Entlastungsbetrag auch im Ausland?
- Ja, hat das Sozialgericht Münster entschieden (Urteil vom 16.03.2021 – Az: S 20 P 42/19). Normalerweise ruhen die Leistungen der Pflegeversicherung zwar, wenn der pflegebedürftige Mensch sich im Ausland aufhält. Von dieser Regel gibt es aber Ausnahmen, die auch für den Entlastungsbetrag gelten. Nach dieser Ausnahme muss der Entlastungsbetrag (für bis zu sechs Wochen Auslandsaufenthalt) gewährt werden bzw. müssen Kosten für den Familienentlastenden Dienst oder Ähnliches erstattet werden.
- Längere Auslandsaufenthalte können dazu führen, dass der Anspruch ruht. Es gibt dann im Ausland unter Umständen keine Leistungen der Pflegeversicherung.
- Das gilt zum Beispiel für das Pflegegeld bei Auslandsaufenthalten außerhalb der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraumes und der Schweiz, wenn sie länger als sechs Wochen dauern.
- Ja, das Gesetz regelt ausdrücklich, dass diese Leistungen nebeneinander beansprucht werden können (§ 13 Absatz 3 Sozialgesetzbuch XI). Das gilt aber nur bei der häuslichen Pflege!
- Es kommt vor, dass die Eingliederungshilfeträger Leistungen erst bewilligen wollen, wenn die Betroffenen vorher die Leistungen der Pflegeversicherung abgerufen haben. Das ist so aber nicht richtig. Der Nachrang der Eingliederungshilfe gilt hier nicht. Das steht ausdrücklich im Gesetz (§ 91 Absatz 3 Sozialgesetzbuch IX). Das heißt: Gegen eine solche Entscheidung des Eingliederungshilfeträgers können Sie Widerspruch einlegen.
- Bei einem Anspruch auf beide Leistungen (Pflege und Eingliederungshilfe) müssen die Kostenträger eine Vereinbarung über ihre Zusammenarbeit abschließen, wenn der pflegebedürftige Mensch damit einverstanden ist.
- Der Träger der Eingliederungshilfe hat dabei "den Hut auf". Er ist also für die Durchführung der Leistungen verantwortlich und auch Ansprechpartner des pflegebedürftigen Menschen. Ein Ansprechpartner – das hört sich gut an. Es ist aber darauf zu achten, dass der Träger der Eingliederungshilfe nicht versucht, Leistungen der Eingliederungshilfe einzusparen und bevorzugt zu Leistungen der Pflegeversicherung rät.
Hinweis: Lebt der pflegebedürftige Mensch in einer besonderen Wohnform, dann kann er diese Leistungen der Pflegeversicherung nicht abrufen. Die Pflege wird dann von der Eingliederungshilfe umfasst und ganz überwiegend vom Träger der EGH finanziert (siehe oben).
- Ja, das Gesetz sieht unter bestimmten Voraussetzungen eine Reihe von Vergünstigungen vor (z. B. Unfallversicherungsschutz sowie der Anspruch auf die Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung). Auch können die Pflegepersonen von dem bereits oben erwähnten Entlastungsbetrag profitieren. Erwähnenswert ist ferner der Anspruch auf eine kostenfreie Schulung, um nahestehende pflegebedürftige Menschen besser versorgen zu können.
Beispiel: Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hatte zu entscheiden, ob der Sturz bei der Abholung eines Rezepts für einen pflegebedürftigen Menschen von der Unfallversicherung geschützt war. Das bejahte das LSG (Urteil vom 24.01.2020 – Az: L 8 U 4406/18).
- Hinweis: Pflegeperson ist übrigens nur, wer nicht erwerbsmäßig pflegt. Erwerbsmäßigkeit ist in der Regel auch dann gegeben, wenn das Pflegegeld an die Pflegeperson weitergeleitet wird. Bei der Pflege naher Angehöriger wird vermutet, dass diese nicht erwerbsmäßig erfolgt.
- Pflegepersonen, die einen Menschen mit dem Pflegegrad 2 oder höher häuslich pflegen, können eine Steuervergünstigung erhalten (Pflegepauschbetrag gem. § 33 Absatz 6 Einkommenssteuergesetz). Weitere Informationen im Beitrag über steuerliche Entlastungen für Menschen mit Behinderung.
- Wichtig ist auch das sogenannte Pflegeunterstützungsgeld (vgl. § 44a Absatz 3 SGB XI). Danach bekommt jemand 90 Prozent seines üblichen Gehalts weiter bezahlt, wenn ein Angehöriger überraschend pflegebedürftig wird und der pflegende Angehörige deshalb maximal zehn Tage nicht arbeiten gehen kann. Es war lange unklar, wie oft das PUG genutzt werden kann. Seit 01.01.2024 steht ausdrücklich im Gesetz: Es kann für jede pflegebedürftige Person jedes Kalenderjahr neu in Anspruch genommen werden.
- Falls Sie die Herabstufung des Pflegegrades für falsch halten, sollten Sie hiergegen Widerspruch einlegen. Der Widerspruch hat aufschiebende Wirkung, d. h. Sie bekommen zunächst das Pflegegeld in der bisherigen Höhe weitergezahlt.
- Beachte: Wird der Widerspruch von der Pflegekasse mit einem sogenannten Widerspruchsbescheid zurückgewiesen und Sie erheben dagegen eine Klage beim Sozialgericht, dann gilt: Das Pflegegeld wird nun nicht mehr in der bisherigen Höhe weiter gewährt.
- Allerdings besteht die Möglichkeit, beim Sozialgericht zu beantragen, dass in der bisherigen Höhe weitergezahlt wird. Dafür müssen Sie einen sogenannten Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stellen. In diesem Fall sollte man sich am besten anwaltlich beraten lassen.
- Weitere Fragen beantworten Ihnen auch die Mitarbeiter der Pflegestützpunkte.
- Sie haben außerdem einen Anspruch auf Pflegeberatung, s.o. Darüber hinaus können Sie telefonisch unter der Rufnummer 115 Fragen zum Thema Pflegeberatung stellen.
- Aktuell ist diese Rufnummer allerdings noch nicht in allen Bundesländern freigeschaltet.
Hilfe zur Pflege nach dem Sozialgesetzbuch 12
- Es kann ein Anspruch auf Hilfe zur Pflege bestehen, wenn ein Pflegegrad schon festgestellt wurde oder noch vom Sozialhilfeträger festgestellt wird. Für die Pflegegrade 2 bis 5 sieht das Gesetz umfassende Leistungen der Hilfe zur Pflege vor, für den Pflegegrad 1 sind es eher wenige. Sie entsprechen im Wesentlichen den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung.
- Hilfe zur Pflege kommt immer dann in Betracht, wenn es keine Leistungen der Pflegeversicherung gibt. Zum Beispiel weil die Vorversicherungszeit nicht erfüllt wurde. Oft wird die Hilfe zur Pflege auch ergänzend zu den Leistungen der Pflegeversicherung benötigt, wenn über die gedeckelten Leistungen der Pflegeversicherung hinaus ein weitergehender Pflegebedarf besteht.
- Wichtig: Voraussetzung für die Hilfe zur Pflege ist immer, dass die finanziellen Mittel nicht ausreichen, um Pflegemaßnahmen selbst zu finanzieren. Die Prüfung dieser sogenannten Bedürftigkeit ist gesetzlich festgelegt.
Hinweis: Wer keinen Pflegegrad hat, kann aber dennoch einen (ungedeckten) Pflegebedarf haben. Die Gerichte haben dann bisher schon öfter mal im Sinne des pflegebedürftigen Menschen entschieden und einen nach oben abweichenden Regelsatz festgesetzt. Oder sich für eine Hilfe in sonstigen Lebenslagen gemäß § 73 SGB XII ausgesprochen (vgl. Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 21.01.2020 – Az: L 8 SO 63/19, Besprechung in Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/2020, S. 188 f.).
- Bei der Prüfung der Bedürftigkeit wird nicht nur das Einkommen und Vermögen des pflegebedürftigen Menschen berücksichtigt, sondern auch das des nicht getrenntlebenden Ehegatten oder Lebenspartners. Das gilt aber nur, wenn dem pflegebedürftigen Menschen und seinem Partner zuzumuten ist, dass sie die eigenen Mittel für die Pflege aufwenden.
- Bei minderjährigen und unverheirateten Personen werden auch die finanziellen Mittel der Eltern geprüft.
- Hinweis: Grundsätzlich gilt alles als Einkommen, was während des Bedarfszeitraums zufließt. Darunter fallen oft auch einmalige Einnahmen wie hohe Geldgeschenke. Vermögen ist, was ein pflegebedürftiger Mensch schon vor dem Bedarfszeitraum besessen hat.
- Nein, es wird nicht alles berücksichtigt; bestimmte Beträge bleiben verschont, damit dem Antragsteller zumindest ein wenig Geld verbleibt. Hier ein (nicht vollständiger) Überblick:
- Einkommen: Zunächst werden verschiedene Beträge abgezogen. Das sind zum Beispiel auf das Einkommen entrichtete Steuern; 40 Prozent des Einkommens aus (nicht-)selbstständiger Tätigkeit und Schmerzensgelder. Auch angemessene Beiträge für eine Sterbegeldversicherung sind vom Einkommen abzusetzen (vgl. § 82 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch XII; Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 12.01.2021 – Az: S 12 SO 3577/18). Das gilt allerdings meistens nur für Versicherungen, die vor Eintritt der Bedürftigkeit abgeschlossen wurden. Durch den Abzug dieser Beträge ergibt sich das sogenannte berücksichtigungsfähige Einkommen.
- Der Einsatz dieses Einkommens muss zumutbar sein. Wann das der Fall ist, regelt das Gesetz. Es hängt, grob gesagt, davon ab, ob das Einkommen die festgelegten Einkommensgrenzen übersteigt.
- Vermögen: Das Gesetz regelt ausführlich, was alles nicht als Vermögen berücksichtigt wird. Das sind zum Beispiel ein angemessenes Hausgrundstück (unter bestimmten Voraussetzungen) und Barbeträge in Höhe von 10.000 Euro für jede volljährige Person. Unter bestimmten (engen) Voraussetzungen bleibt auch ein zusätzlicher Betrag von bis zu 25.000 Euro unberücksichtigt. Wenn die Berücksichtigung vorhandenen Vermögens eine Härte wäre, darf es ebenfalls nicht mit berechnet werden. Das kann z. B. bei einem 10.000 Euro übersteigenden Bestattungsvorsorgevertrag (dessen Geldwert auch als Vermögen angesehen wird), der Fall sein.
- Außerdem hat das Bundessozialgericht entschieden: Vermögen aus (Nach-)Zahlungen einer Opferentschädigungsrente können ebenfalls als Härte geschützt sein (Urteil vom 30.04.2020 – Az: B 8 SO 12/18 R; Besprechung in Rechtsdienst der Lebenshilfe 4/2020, S. 182 ff.).
- Gut zu wissen: "Einmalige Einnahmen aus Erbschaften, Vermächtnissen und Pflichtteilszuwendungen" sind kein Einkommen mehr, sondern (ab dem Folgemonat des Zuflusses) Vermögen. Das steht in § 82 Absatz 1 Satz 2 Nr. 9 SGB XII.
- Einkommen: Zunächst werden verschiedene Beträge abgezogen. Das sind zum Beispiel auf das Einkommen entrichtete Steuern; 40 Prozent des Einkommens aus (nicht-)selbstständiger Tätigkeit und Schmerzensgelder. Auch angemessene Beiträge für eine Sterbegeldversicherung sind vom Einkommen abzusetzen (vgl. § 82 Absatz 2 Satz 1 Nr. 3 Sozialgesetzbuch XII; Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 12.01.2021 – Az: S 12 SO 3577/18). Das gilt allerdings meistens nur für Versicherungen, die vor Eintritt der Bedürftigkeit abgeschlossen wurden. Durch den Abzug dieser Beträge ergibt sich das sogenannte berücksichtigungsfähige Einkommen.
- Das hängt von dem Verdienst der Eltern ab: Die Eltern müssen nur dann einen monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von 42,20 Euro (2024) an das Sozialamt leisten, sofern ein Elternteil über 100.000 Euro pro Jahr verdient. Das steht in § 94 Absatz 1a und 2 SGB XII.
- Es kommt also nicht darauf an, dass beide Elternteile zusammen diese Verdienstgrenze überschreiten.
- Das beurteilt sich nach dem sogenannten Lebenslagenmodell:
- Lebt der Mensch mit Behinderung allein, mit einem Partner in einer Wohnung, in einer Wohngemeinschaft oder bei seinen Eltern: Dann umfasst seit 2020 die EGH die Hilfe zur Pflege, sofern die Behinderung vor dem Erreichen der Altersgrenze (Rente) eingetreten ist (z.B. von Geburt an) und die Ziele der EGH noch erreicht werden können (§ 103 Absatz 2 Sozialgesetzbuch IX). Das bedeutet, dass die Hilfe zur Pflege keine eigenständige Leistung mehr ist, sondern als Teil der Eingliederungshilfe angesehen wird.
- Der Vorteil: Es gelten dann die günstigeren Regeln der EGH für die Einkommens- und Vermögensanrechnung.
Beispiel: Frau A. lebt in einer Wohngemeinschaft und bekommt EGH (mit Hilfe zur Pflege, wobei die EGH die Hilfe zur Pflege umfasst, s.o.) und Grundsicherung (SGB XII). Sie möchte wissen, ob für die Grundsicherung auch die günstigen Regeln der Einkommens- und Vermögensanrechnung der EGH gelten. Antwort: Nein, für die Grundsicherung (SGB XII) gelten diese Anrechnungsregelungen nicht. Sie beziehen sich nur auf die EGH (inklusive Hilfe zur Pflege).
- Lebt der Mensch mit Behinderung in einer besonderen Wohnform, umfasst die EGH immer die Pflege; Hilfe zur Pflege als gesonderte Leistung ist dann nicht nötig.
- Es gelten in dieser Situation immer die günstigeren Regeln der EGH für die Einkommens- und Vermögensanrechnung (§ 103 Abs. 1 SGB IX).
Positionspapier der Lebenshilfe zum Thema Pflege
Für eine gute Pflege auch für Menschen mit Behinderung in besonderen Wohnformen
In diesem Papier beschäftigt sich die Bundesvereinigung Lebenshilfe mit der Versorgung von Menschen mit Behinderung, die in besonderen Wohnformen leben. Für sie zahlt die Pflegekasse ab 01.01.2025 monatlich nur 278 Euro (ab Pflegegrad 2). Das ist zu wenig und hat manchmal zur Folge, dass Bewohner*innen in ein Pflegeheim umziehen müssen, obwohl sie lieber in ihrem Zuhause bleiben möchten. Bewohner*innen, die in der Wohnform bleiben, nehmen in Kauf, dass Pflege und/oder Eingliederungshilfe nicht hinreichend erbracht werden können. Diese Situation muss geändert werden.
Wichtige Links zum Thema: Leistungen der Pflegeversicherung
- Online-Ratgeber Pflege Ein Angebot des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG).
- Empfehlungen für Leistungen der Pflegeversicherung im Ausland Ein Angebot des GKV-Spitzenverbands.
- Pflegeversicherung: Richtlinien, Vereinbarungen, Formulare Ein Angebot des GKV-Spitzenverbands.
- Informationen zur Pflegebegutachtung Mehr zum Thema Pflegebegutachtung vom Medizinischen Dienst. Es gibt dort auch Informationen in leicht verständlicher Sprache.
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Wir verschicken auch einen Newsletter in Leichter Sprache sowie einen Mitmachen-Newsletter, in dem wir über unsere Arbeit berichten und Momentaufnahmen von Familien zeigen. Alle Angebote sind selbstverständlich kostenlos.
Fachpublikationen aus dem eigenen Verlag
Der Lebenshilfe-Verlag ist der deutschsprachige Fachverlag für das Thema geistige Behinderung. In seinen Publikationsreihen bietet er rund 140 Bücher und sonstige Medien an.
Die Themen der Bücher aus dem Verlag der Lebenshilfe umfassen alle Lebensbereiche geistig beeinträchtigter Menschen und ihrer Familien. Sie reichen vom Bilderbuch über Handreichungen zur Pflegeversicherung oder schulischen Integration bis hin zur Intimität von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung.