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Jubiläumsfeier mit Steinmeier
Das ist „Spaß und Lebensfreude“ pur, sagte Sebastian Urbanski zu Beginn der Jubiläumsfeier „60 Jahre Lebenshilfe“ am 28. September 2018. Der Schauspieler mit Down-Syndrom führte gemeinsam mit Radio-Moderator Knut Elstermann durch die Feier, bei der auch der Preis des Kreativwettbewerbs „Ganz plastisch.“ verliehen wurde. Mit ihrem fröhlichen Geburtstagsvideo „Hey Welt“ hatte die Lebenshilfe ihre rund 250 Gäste, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, im Haus der Kulturen der Welt in Berlin begrüßt.
„Die Lebenshilfe zeigt, was es heißt, Humanität zu leben. Sie steht für Offenheit, Vielfalt und ein partnerschaftliches Miteinander, für Respekt und Achtung“, so würdigte der Bundespräsident die 60-jährige Geschichte der Bundesvereinigung Lebenshilfe in seiner Rede. „Die Lebenshilfe strahlt Wärme aus “, so das Staatsoberhaupt weiter. Es sei wichtig, dass Menschen mit Behinderung sich selbst vertreten – „als Experten in eigener Sache, als sympathische Vorbilder für uns alle“.
Die Lebenshilfe habe in den vergangenen sechs Jahrzehnten einen unglaublichen gesellschaftlichen und politischen Wandel mit voran gebracht. „Was uns als Menschen verbindet, ist die Fähigkeit, Glück und Freude zu empfinden, zu lieben und Freunde zu gewinnen“, so der Bundespräsident. Die Kunstwerke des Wettbewerbs ließen diese Gemeinsamkeiten „ganz plastisch“ werden mit ihren „Einblicken in Gedanken und Gefühle von ganz verschiedenen Menschen, auch von solchen, denen es nur schwer oder nicht möglich ist, ihre Empfindungen in Worte zu fassen“.
Ulla Schmidt: Lebenshilfe gibt Selbstbewusstsein
An den langen Weg der Lebenshilfe erinnerte auch Ulla Schmidt, Lebenshilfe-Bundesvorsitzende und Bundesministerin a. D. – und an den niederländischen Pädagogen und Lebenshilfe-Gründer Tom Mutters. Er hatte im Jahr 1958 im hessischen Marburg gemeinsam mit Eltern und Fachleuten die „Bundesvereinigung Lebenshilfe für das geistig behinderte Kind“ gegründet. „Die Lebenshilfe gab den Familien und Menschen mit Behinderung ein neues Selbstbewusstsein – und sie war eine der ersten Bürgerbewegungen der Bundesrepublik“.
Ulla Schmidt sprach allen Menschen mit Behinderung, die sich als Selbstvertreter engagieren, ihren Dank aus, ebenso den Eltern und Angehörigen sowie den ehrenamtlich und hauptamtlich Tätigen. Die Bundesvorsitzende hob Meilensteine des Kampfes der Lebenshilfe für Rechte von Menschen mit Behinderung hervor wie das Bundessozialhilfegesetz, die Eingliederungshilfe und die Einführung der Schulpflicht für Menschen mit Behinderung – und als vorläufige Höhepunkte – die UN-Behindertenrechtskonvention sowie das Bundesteilhabegesetz. „In 60 Jahren Lebenshilfe sind wir der inklusiven Gesellschaft ein gutes Stück näher gekommen.“ Und Ramona Günther, Selbstvertreterin aus dem Bundesvorstand, blickte in die Zukunft: „Es wäre toll, dass wir in zehn Jahren, wenn die Lebenshilfe 70 wird, Inklusion leben und nicht mehr begründen müssen.“
„Das Potential von Menschen mit Behinderung, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten und gemeinsam für ihre Rechte zu kämpfen, war und ist immer wichtiges Ziel der Lebenshilfe“, so Ulla Schmidt. Das Potential der Menschen mit Behinderung zeigte sich auch im Kreativ-Wettbewerb, dessen Gewinner bei der Jubiläums-Feier geehrt wurden.
Kreativ-Wettbewerb "Ganz plastisch."
Damit das Inklusions-Motto „Teilhabe statt Ausgrenzung“ greifbar wird, hatte die Bundesvereinigung Lebenshilfe anlässlich ihres Jubiläums zum Kreativ-Wettbewerb aufgerufen – und mehr als 420 Beiträge waren eingereicht worden – viele Künstler mit und ohne Behinderung waren der Aufforderung „Machen Sie es doch mal ganz plastisch!“ gefolgt. Sechs von ihnen waren schließlich von einer Jury aus Künstlern und Wissenschaftlern für den Preis nominiert worden.
Auf der Jubiläumsfeier konnte der erste Preis verkündet werden: Der 33-jährige Maximilian Weiger aus Sigmaringen, der in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeitet und in seiner Freizeit in einem offenen Atelier künstlerisch tätig ist, bekam den Award für seine Arbeit „Jägersitz und Beichtstuhl“, die – so die Jury – „so vermeintlich selbstverständliche Gegebenheiten wie Ausgrenzung und Diskriminierung in ihrer ganzen Fragwürdigkeit deutlich werden lassen und zum kritischen Blick herausfordern“.
Maximilian Weiger formulierte es nach der Preis-Verleihung etwas pragmatischer – und zudem einen Satz, der auch für die Lebenshilfe gelten kann: „Ich bin sehr stolz auf die Ehrung. Auch, wenn ich den Preis jetzt gewonnen habe – eigentlich will ich an dem Kunstwerk weiter arbeiten.“