Schule und Schulbegleitung für Kinder mit Behinderung
Alle Kinder in Deutschland unterliegen der Schulpflicht. Gerade der Übergang vom Kindergarten in die Schule ist eine besondere Zeit. Und oft eine Herausforderung. Das gilt besonders für Eltern von Kindern mit Behinderung.
Schule und Schulbegleitung – Fragen und Antworten
Schon im Vorfeld müssen Eltern von Kindern mit Beeinträchtigung viele Fragen klären: Soll unser Kind auf eine Förder- oder eine Regelschule? Wer entscheidet das? Braucht unser Kind in der Schule Assistenz durch eine Schulbegleiter*in? An wen muss ich mich dafür wenden? Und wer finanziert das? Wir möchten Antworten auf die wichtigsten Fragen geben.
Bildung ist Ländersache. Welche Schule ein Kind mit Behinderung besuchen kann, ob und welche Wahlmöglichkeiten die Eltern haben, regeln daher die Schulgesetze der Länder. Sie sind sehr unterschiedlich. Deshalb beschränkt sich der Text auf eine allgemeine Darstellung. In den einzelnen Bundesländern kann es Abweichungen geben.
Die zuständige Schulbehörde klärt, welche Schule ein Kind besucht. Bei einem Kind mit Behinderung stellt sie in der Regel zunächst fest, welchen Förderbedarf das Kind hat. Anschließend muss sie entscheiden, wo das Kind gut unterrichtet werden kann – zum Beispiel an einer Regelschule oder einer Förderschule. Die individuellen Bedürfnisse des Kindes sind dabei entscheidend.
In der Regel haben Eltern die Wahl zwischen einer Regelschule oder einer Förderschule. Viele Landesschulgesetze sehen jedoch vor, dass die Schulbehörde unter bestimmten Voraussetzungen auch vom Wunsch der Eltern abweichen kann. Zum Beispiel, wenn die sachliche oder personelle Ausstattung an der gewählten Schule nicht ausreicht.
Am Ende dieses Prozesses weist die zuständige Schulbehörde das Kind entweder einer bestimmten Schule oder einem bestimmten Schultyp (Regel- oder Förderschule) zu. Oder sie überlässt diese Entscheidung den Eltern.
Wenn klar ist, dass ein Kind mit Behinderung eine Regelschule besuchen kann, stellt sich die Frage, ob und welche zusätzliche Unterstützung das Kind aufgrund seiner Behinderung braucht.
Denn häufig reicht die in einer Regelschule angebotene sonderpädagogische Förderung nicht aus. Darum benötigen viele Kinder mit Behinderung an einer Regelschule Unterstützung durch eine Assistenzperson (Schulbegleiter*in).
Die Assistenz durch eine Schulbegleiter*in ist eine Leistung der Eingliederungshilfe. Ein Kind mit Behinderung hat darauf einen Anspruch, wenn bei ihm eine wesentliche Behinderung vorliegt oder wenn eine solche droht und die Unterstützung durch eine Schulbegleiter*in aufgrund der Behinderung erforderlich ist.
Der Träger der Eingliederungshilfe ist übrigens an die Entscheidung der Schulbehörde gebunden. Das heißt: Wenn die Schulbehörde dem Besuch einer Regelschule zugestimmt hat, kann der zuständige Träger der Eingliederungshilfe den Antrag auf Schulbegleitung nicht mit dem Argument ablehnen, dass diese Leistung beim Besuch einer Förderschule nicht nötig gewesen wäre.
Hinweis:
In einer Förderschule ist es grundsätzlich Aufgabe der Schule, Unterricht, Betreuung und Erziehung der Kinder mit Behinderung sicherzustellen. Dennoch kommen immer wieder Fälle vor, in denen Kinder mit Behinderung besondere Bedarfe haben, denen die Förderschule nicht gerecht werden kann. In diesen Fällen stellt sich die Frage, ob auch für den Besuch der Förderschule ein Anspruch auf Unterstützung durch eine Schulbegleiter*in besteht.
Die Sozialgerichte haben diese Frage in den letzten Jahren unterschiedlich beurteilt. Das oberste deutsche Sozialgericht, das Bundessozialgericht, hat hierzu 2019 eine Entscheidung getroffen. Auch in Förderschulen besteht danach ein Anspruch auf Schulbegleitung. Wie auch in Regelschulen ist jedoch Voraussetzung, dass die Schulbegleiter*in nur unterstützende Aufgaben wahrnimmt. Aufgabe, die den Lehrkräften vorbehalten sind, dürfen die Schulbegleiter*innen nicht übernehmen.
Eine Schulbegleiter*in ersetzt keine Lehrkräfte. Aber sie hilft den Lehrer*innen bei ihren Aufgaben, damit das Kind mit Behinderung das Angebot der Schule wahrnehmen kann.
Möglich ist zum Beispiel die Unterstützung im Unterricht oder bei der Pausengestaltung. Manche Kinder benötigen auch Begleitung im sozialen und emotionalen Bereich, bei der Kommunikation, beim An- und Ausziehen, bei den Mahlzeiten und bei Toilettengängen.
Kinder mit Behinderung sind wie Kinder ohne Behinderung im Regelfall auf eine Nachmittagsbetreuung angewiesen. Ob eine Assistenz für die Nachmittagsbetreuung vom Träger der Eingliederungshilfe finanziert wird, hängt davon ab, welche Form der Nachmittagsbetreuung gewählt wird. In Betracht kommen der Besuch einer gebundenen oder einer offenen Ganztagsschule und eines Horts.
- Gebundene Ganztagsschule
- Eine gebundene Ganztagsschule sieht ein Gesamtkonzept vor, an dem alle Schüler*innen für eine bestimmte Zeit des Tages (zumeist 8 bis 16 Uhr) verpflichtend teilnehmen müssen. Diese Zeiten sind kein freiwilliges Angebot der Schule, sondern verpflichtender Bestandteil des Schulbesuchs. Wenn ein Kind mit Behinderung einen entsprechenden Unterstützungsbedarf hat, ist die Begleitung durch eine Schulbegleiter*in auch am Nachmittag eine Hilfe zur Schulbildung.
- Offene Ganztagsschule
- Bei einer offenen Ganztagsschule ist die nachmittägliche Betreuung hingegen nicht verpflichtender Bestandteil des Schulbesuchs, sondern freiwillig. Es war deshalb lange umstritten, ob die notwendige Assistenz für den Besuch der Nachmittagsangebote eine Hilfe zur Schulbildung oder eine Leistung zur Sozialen Teilhabe darstellt. Wichtig ist die Einordnung für die Einkommens- und Vermögensheranziehung der Eltern, da nur die Hilfe zur Schulbildung kostenfrei ist.
- Zum 1. Januar 2020 hat der Gesetzgeber hier Klarheit geschaffen. Die Unterstützung in der Offenen Ganztagsschule ist nun ausdrücklich als kostenfreie Hilfe zur Schulbildung genannt. Voraussetzung ist, dass die schulischen Ganztagsangebote mit dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule im Einklang stehen, unter Aufsicht und Verantwortung der Schule stattfinden, an den stundenplanmäßigen Unterricht anknüpfen und in der Regel in den Räumen der Schule oder in deren Umfeld stattfinden.
- Hort
- Kinder, die weder eine gebundene noch eine offene Ganztagsschule besuchen, gehen nachmittags häufig in einen Hort. Es handelt sich dabei um eine Leistung der Jugendhilfe, die nicht unter Aufsicht und Verantwortung der Schule stattfindet. Auch hier stellt sich die Frage, ob die notwendige Assistenz im Hort eine Hilfe zur Schulbildung oder eine Leistung der Sozialen Teilhabe ist. Im Gegensatz zur Offenen Ganztagsschule hat der Gesetzgeber hier keine klare Regelung vorgesehen. Entscheidend hängt es deshalb von den Zielen und der Ausgestaltung der jeweiligen Angebote des Horts ab. Angebote im Hort, die die pädagogische Arbeit der Schule unterstützen, erleichtern oder ergänzen, können Gegenstand von Hilfen zur Schulbildung sein. In Betracht kommt hierfür z. B. eine Hausaufgabenbetreuung. Wenn hingegen die Angebote des Horts dazu dienen, die Zeit zu überbrücken, bis die Kinder von ihren Eltern abgeholt werden, fällt dies nicht unter die Hilfen zur Schulbildung.
Mit dem BTHG ist eine ausdrückliche Regelung für eine gemeinsame Inanspruchnahme von Leistungen, das sogenannte Poolen, eingeführt worden. Damit ist es möglich, dass mehrere Kinder von einer Schulbegleiter*in unterstützt werden.
Voraussetzung dafür ist, dass die Kinder dadurch die notwendige Unterstützung bekommen und diese gemeinsame Leistung für die Kinder zumutbar ist. Sollten Gründe vorliegen, die gegen eine gemeinsame Leistungserbringung sprechen, beispielsweise weil ein Kind aufgrund seiner Behinderung eine 1:1-Unterstützung benötigt, ist es wichtig, das im Gesamtplanverfahren zu thematisieren.
- Beispiel zur gemeinsamen Unterstützung durch eine Schulbegleiter*in:
- Zwei Kinder mit Behinderung besuchen die gleiche Klasse einer Grundschule.
- Eine Schulbegleiter*in kann beide Kinder gemeinsam im Unterricht unterstützen, wenn der Unterstützungsbedarf der Kinder das zulässt und es für beide zumutbar ist.
Leistungen der Schulbegleitung sind in den allermeisten Fällen Leistungen der Eingliederungshilfe. Zuständig ist der Träger der Eingliederungshilfe. Das kann je nach Bundesland entweder das Land selbst, ein überörtlicher Träger oder die Kommune sein.
Nur, wenn der Assistenzbedarf in der Schule ausschließlich pflegerischer oder behandlungspflegerischer Natur ist, kommen auch die Pflege- oder Krankenversicherung als Leistungsträger in Betracht.
Grundsätzlich sind Leistungen der Eingliederungshilfe abhängig von Einkommen und Vermögen. Allerdings hat der Gesetzgeber entschieden, bestimmte Leistungen der Eingliederungshilfe bei der Kostenheranziehung zu privilegieren. Zu diesen privilegierten Leistungen gehören die Hilfen zur Schulbildung und damit auch die Schulbegleitung. Es kommt daher nicht auf das Einkommen und Vermögen der Eltern und ihres Kindes an. Dementsprechend müssen nicht die Eltern die Schulbegleitung bezahlen, sondern der Träger der Eingliederungshilfe.
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Weitere Informationen zum Thema Schulbegleitung
- Schulbegleitung: Ein Positionspapier der Bundesvereinigung Lebenshilfe Hier erfahren Sie unsere Positionen rund um das Thema Schulbegleitung
- Kernthesen der Bundesvereinigung Lebenshilfe zur Inklusiven Bildung in der Schule Wie stellt sich die Lebenshilfe ein inklusives Bildungssystem vor? Und was ist dafür nötig?
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