Lebenshilfe für Geschwister von Menschen mit Behinderung
Die Lebenshilfe setzt sich für Menschen mit Behinderung und ihre Familien ein – dazu gehören auch Geschwister. Die Geschwister sind ihren Angehörigen oft eine großartige Hilfe, doch sie brauchen selbst Beratung und Unterstützung. Wir möchten helfen.
Wenn Geschwister eine Behinderung haben
Da sein, wenn man gebraucht wird. Für viele Geschwister von Menschen mit Behinderung ist das selbstverständlich. Oft beginnt das bereits in der Kindheit, und im Erwachsenenalter gilt es häufig immer noch. Vorsichtig geschätzt haben bundesweit etwa 550.000 erwachsene Menschen Schwestern oder Brüder, die Eingliederungshilfe empfangen.
Geschwister von Menschen mit Behinderung sind oft unsichtbare Unterstützer*innen
Der Beitrag, den sie zur sozialen Teilhabe ihrer Geschwister mit Behinderung leisten, ist enorm. Sie stehen mit Rat und Tat zur Seite, treffen sich zum Eis essen oder kümmern sich um finanzielle und rechtliche Belange. Sie selbst und ihre eigenen Bedürfnisse werden jedoch oft nicht wahrgenommen – nicht in der Öffentlichkeit, nicht in der Politik.
Mehr Unterstützung und Aktivitäten für Geschwister von Menschen mit Behinderung
Die Lebenshilfe will das ändern und baut ihre Aktivitäten für Geschwister weiter aus. In einem ersten Schritt wurde das GeschwisterNetz überarbeitet. 2016 wurde das digitale soziale Netzwerk gemeinsam mit erwachsenen Geschwistern entwickelt. Inzwischen wurde das von zurzeit rund 900 Mitgliedern genutzte Netzwerk in einem durch die BARMER Krankenkasse geförderten Projekt auf die aktuellen Bedürfnisse angepasst. Selbsthilfe ist wichtig, reicht aber allein nicht immer aus. Neben dem Austausch wollen Geschwister laut unserer Umfrage auch konkrete Informations-, Unterstützungs- und Beratungsangebote von Fachleuten.
Angebote für junge Geschwister von Menschen mit Beeinträchtigung
Viele Lebenshilfen haben bereits gute Angebote für junge Geschwister von Menschen mit Behinderung. Ein Beispiel ist die Lebenshilfe Minden und ihr Geschwisterprojekt: Das Projekt umfasst Freizeittreffs, Ferienspiele, Sprechstunden und Seminare. Erkundigen Sie sich gern nach Angeboten bei Ihrer Lebenshilfe vor Ort.
Geschwister kommen zu Wort
Interview mit Marten Brockmann, Geschäftsführer der Lebenshilfe Mecklenburg-Vorpommern
Geschwister spielen oft eine wichtige Rolle im Leben behinderter Menschen. Sie übernehmen Verantwortung und ermöglichen Teilhabe. Sie sind da, wenn sie gebraucht werden. Das Aufwachsen mit einer Schwester oder einem Bruder mit Behinderung prägt, und manchmal beeinflusst es auch den Berufsweg. So wie bei Marten Brockmann. Er ist seit Oktober Geschäftsführer im Landesverband Mecklenburg-Vorpommern. Hier berichtet er über seine Kindheit mit seinem Zwillingsbruder Matthias, das Leben mit Behinderung in der DDR und wie die Lebenshilfe als emotionaler Wert sichtbar werden kann.
Herr Brockmann, im Oktober 2022 haben Sie als Geschäftsführer im Landesverband der Lebenshilfe Mecklenburg-Vorpommern den Staffelstab von Clemens Russell übernommen. Damit sind Sie ein wichtiger Ansprechpartner für etwa 1700 Mitglieder, neun gGmbHs und 16 Orts- und Kreisvereinigungen (OKV). Eine große Verantwortung. Wie geht es Ihnen damit? Für mich ist der Landesverband nicht neu. Ich war sieben Jahre im Vorstand tätig und bin in landes- und bundesweiten Gremien der Lebenshilfe aktiv. Ich kenne die Strukturen und bin mit vielen Mitgliedern seit Langem bekannt.
Sie sagen, Sie kennen viele Mitglieder seit Langem. Woher kommt diese Verbundenheit mit der Lebenshilfe?
Mein Zwillingsbruder lebt mit der Bedingung einer körperlichen und geistigen Behinderung. Zu DDR-Zeiten hieß Leben mit Behinderung: weggesperrt sein. Mit der politischen Wende und nach der Gründung der Lebenshilfe Schwerin habe ich bei meinem Bruder viele positive Änderungen erlebt. Wir waren damals beide elf Jahre alt. Kinder wie er wurden im gesellschaftlichen Leben sichtbar, das hat mich einfach beeindruckt. Seit der Zeit habe ich schon viele Akteure der Lebenshilfe kennengelernt. Später lernte ich in Hamburg bei der Stiftung Alsterdorf Heilerziehungspfleger. Anschließend studierte ich am Rauen Haus Soziale Arbeit. Zurück in Schwerin bin ich seit 2007 und wurde 2008 hier Mitglied der Lebenshilfe.
Was hat Sie bewegt, nicht mehr im Vorstand, sondern als Geschäftsführer aktiv zu sein?
Meine oberste Motivation ist mein Wille, die Lebensbedingungen für Menschen mit Behinderungen so zu gestalten, dass sie ein gleichwertiges Leben führen können. Genauso wie ich das auch bei meinem Bruder erlebe. Mit denselben Teilhabechancen, die auch ich habe, mit allen Möglichkeiten und Pflichten. Als Geschäftsführer kann ich dazu beitragen, dass alle diese Chancen bekommen – auch diejenigen ohne helfende Familien.
Was für Ziele verfolgen Sie für und mit dem Landesverband?
Ganz klar: Die Zukunftssicherung der OV/KV gemeinsam mit dem Vorstand. Wir müssen den Fortbestand der Vereine sichern. Viele sind Gesellschafter der GmbHs. Hier knüpfe ich an die engagierte Vorarbeit von Clemens Russell an. Sie kommen in einer unruhigen Zeit.
Was sehen Sie als größte Herausforderung?
Akut sind es die Energiepreise und deren Finanzierung. Dann machen mir die Preissteigerungen bei Lebensmitteln Sorgen. Die verteuern die Versorgungspauschalen im gemeinschaftlichen Wohnen. Mittelfristig ist es die Nachwuchsgewinnung. Aus meiner Sicht kann die nur gelingen, wenn wir die Marke Lebenshilfe stärker als emotionalen Wert erkennen und das auch kommunizieren. Die Lebenshilfe ist ein Ort, an dem gemeinsam, inklusiv und kritisch über Lebensthemen diskutiert wird.
Das Gespräch führte Stefani Kortmann Lebenshilfe Landesverband Mecklenburg-Vorpommern
Selbsthilfe reicht für Geschwister oft nicht
Angebote für Geschwister von Menschen mit Beeinträchtigung richten sich in der Regel nur an Kinder und Jugendliche. Für erwachsene Geschwister gab es lange Zeit nichts. Und auch heute noch ist die Zahl an Unterstützungsangeboten überschaubar. Wenn, dann hat sich vor allem im Selbsthilfebereich etwas getan.
So wurde vor fünf Jahren die Selbsthilfeinitiative „Erwachsene Geschwister“ ins Leben gerufen. Heute sind darüber mehrere hundert Geschwister über ein Netz von regionalen Stammtischen, einer Internetseite und einer eigenen Facebook-Gruppe verbunden. Diese Angebote setzen dabei bewusst voll und ganz auf Selbsthilfe. Im Hinblick auf professionelle Unterstützung und Beratung hingegen ist die Situation bundesweit desaströs.
Podcast für Geschwister
Die Journalistin Dunja Batarilo erstellt seit 2021 den Podcast: "Für immer anders – und total normal. Der Podcast für Geschwister von Menschen mit Behinderung". Verfügbar auf Spotify, Apple Podcast oder direkt auf Podcast.de.
Betreuungsrecht – Wichtige Informationen für Geschwister von Menschen mit Behinderung
Wer übernimmt die rechtliche Betreuung, wenn die Eltern nicht mehr da sind? Das Problem ist offensichtlich, es wird mit der Zeit immer größer und doch vermeiden alle es, darüber zu reden. Erwachsene Geschwister spüren häufig eine Erwartungshaltung seitens der Eltern. Sie fühlen sich verpflichtet, ohne konkret zu wissen, was rechtliche Betreuung bedeutet und welche Aufgaben damit verbunden sind.
Um hier Klarheit für sich zu erlagen, kann es hilfreich sein, sich mit den zentralen Punkten des Betreuungsrechts auseinanderzusetzen: Wie wird man eigentlich rechtliche Betreuer*in? Wie läuft ein Betreuungsverfahren ab? Wo erhalten Betreuer*innen Rat und Unterstützung? Antworten auf diese und weitere Fragen gibt es in unserem FAQ zum Betreuungsecht.
Geschwister von Menschen mit Behinderung als Mitglied der Lebenshilfe
Die Bedarfe der erwachsen Geschwister werden bisher kaum gesehen und bisher hat sich niemand mit Nachdruck für ihre Interessen eingesetzt. Als Angehörigenverband ist das eine Aufgabe der Lebenshilfe: vor Ort aber auch in der Arbeit der Bundesvereinigung. Viele Eltern und Angehörige sind Mitglied in der Lebenshilfe. Dazu zählen auch erwachsene Geschwister. Sie erwarten Wertschätzung und wollen in ihrer Rolle gesehen werden. Sie wünschen sich eine Vertretung ihrer Interessen in der Politik und auch in der Gesellschaft.
Die Lebenshilfe setzt sich für Menschen mit geistiger Behinderung und ihre Familien ein:
- als Selbsthilfevereinigung sowie als
- Angehörigen-, Fach- und Trägerverband.
Die Lebenshilfe gibt es bereits seit 1958 in Deutschland. In jedem Bundesland gibt es Einrichtungen, die Menschen mit geistiger Behinderung unterstützen und dabei helfen, gleichberechtigt am Leben in der Gesellschaft teilzunehmen. Die Lebenshilfe macht sich aber auch für die Angehörigen von Menschen mit Behinderung stark, wie etwa für deren Geschwister.
Die Lebenshilfe setzt sich ein und macht sich stark:
- für Menschen mit Behinderung,
- für ihre Familien und für ihre Angehörigen.
Mit 125.000 Mitgliedern und vielen Einrichtungen direkt vor Ort ist die Lebenshilfe in ganz Deutschland vertreten. Als Mitglied unterstützen Sie die Lebenshilfe und ihre überregionale Arbeit für Menschen mit Beeinträchtigung und ihre Angehörigen.
GeschwisterNetz – Ein Angebot für Geschwister
Dass der Bedarf an Informationen und Austausch groß ist, haben bereits unsere Geschwister-Treffen gezeigt – zuletzt im Juni 2019 in Hamburg. Neben positivem Feedback kam der Wunsch nach Angeboten in anderen Regionen bzw. nach einem überregionalen Angebot auf. Das GeschwisterNetz ist diesem Wunsch entsprungen: Die digitale Plattform ist für alle jugendlichen und erwachsenen Geschwister von Menschen mit Behinderung da – kostenlos und exklusiv.
- Geschwister von Menschen mit Behinderung haben oft Fragen und Sorgen.
- Um den Geschwistern zu helfen, haben wir das GeschwisterNetz gegründet.
- Es handelt sich um ein soziales Netzwerk für Geschwister.
- Gesprochen wird z.B. über Versorgung, Betreuung, Inklusion oder Sozialrecht.
- Die Anmeldung geht schnell und ist kostenlos!
GeschwisterNetz 2.0
Die Lebenshilfe hat ihre preisgekrönte Online-Plattform für Geschwister gründlich renoviert. Das erweiterte Angebot ist auf die Bedürfnisse und Wünsche der Geschwister zugeschnitten. Auch Jugendliche haben jetzt Zugang zum Netzwerk. Ende August 2020 war der Relaunch. Seitdem erscheint das GeschwisterNetz in neuer Aufmachung.
Links zum Thema: Geschwister von Menschen mit Beeinträchtigung
- Geschwister stärken Ein Angebot aus dem Verlag der Lebenshilfe.
- Workshop erwachsene Geschwister Geschwister beraten Geschwister: Ein Angebot aus dem Verlag der Lebenshilfe.
- Erwachsene-Geschwister.de Hier gibt es Termine der regionalen Geschwister-Stammtische, Blogbeiträge von Geschwistern, Infos zum jährlichen Geschwistermeeting und den Link zur Facebook-Gruppe: „Unter uns – Erwachsene Geschwister“.