Presse
12.11.2018 Inklusion und Teilhabe

Lebenshilfe setzt sich seit 60 Jahren für eine inklusive Gesellschaft ein

Die Vereinigung für Menschen mit Behinderung und ihre Familien begeht ihr Jubiläum am Gründungsort Marburg. Ein Höhepunkt ist die Verleihung des Medienpreises BOBBY an Dr. Eckart von Hirschhausen.

Mehrere fröhliche Kinder mit Behinderung stehen hintereinander in einem Lebenshilfe-Kindergarten in Heidelberg, 1968.
© Archiv der Lebenshilfe
Lebenshilfe-Kindergarten in Heidelberg, 1968

„60 Jahre Lebenshilfe sind eine wahre Erfolgsgeschichte.“ Das sagt Ulla Schmidt, Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenshilfe, Bundestagsabgeordnete und frühere Bundesgesundheitsministerin. Am 15. und 16. November werden rund 500 Delegierte aus ganz Deutschland zur Mitgliederversammlung im hessischen Marburg zusammenkommen, um das Jubiläum zu feiern. Ein Höhepunkt wird die Verleihung des Lebenshilfe-Medienpreises BOBBY 2018 an Dr. Eckart von Hirschhausen sein.

Als die Bundesvereinigung Lebenshilfe am 23. November 1958 in Marburg gegründet wurde, gab es in ganz Deutschland so gut wie keine Unterstützung für Menschen mit sogenannter geistiger Behinderung. Sie galten als bildungsunfähig. Zudem standen die Familien noch unter dem Schock der „Euthanasie“-Morde in der Nazi-Zeit. Erst der niederländische Pädagoge Tom Mutters machte den Eltern Mut, sich für ein menschenwürdiges Leben ihrer behinderten Kinder einzusetzen. Sie sollten in ihren Familien, mitten in der Gemeinde aufwachsen können und nicht in der abgeschlossen Welt einer Anstalt verwahrt werden.

„Die Lebenshilfe zeigt, was es heißt, Humanität zu leben. Sie steht für Offenheit, Vielfalt und ein partnerschaftliches Miteinander, für Respekt und Achtung“, so Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am 28. September beim Jubiläums-Festakt in Berlin. „Die Lebenshilfe hat in 60 Jahren entscheidend dazu beigetragen, dass wir dem großen Ziel einer inklusiven Gesellschaft in unserem Land Schritt für Schritt näher gekommen sind – von der Einführung der Schulpflicht für Kinder mit geistiger Behinderung bis hin zur UN-Behindertenrechtskonvention.“

Nach 1958 bildeten sich überall in Deutschland örtliche Lebenshilfe-Vereine, heute sind es mehr als 500 mit rund 125.000 Mitgliedern. Es entstanden Kindergärten und Schulen, Frühförderstellen und Familienentlastende Dienste, Wohn- und Werkstätten und vieles mehr. Als 1989 die Mauer fiel, wurden innerhalb nur eines Jahres 120 neue Lebenshilfen in Ostdeutschland gegründet, in der ehemaligen DDR waren solche Initiativen verboten.

Aktuell setzt sich die Lebenshilfe mit aller Kraft für das Wahlrecht für alle ein. Bundesvorsitzende Ulla Schmidt: „Wir haben erreicht, dass die Wahlrechtsausschlüsse von Menschen unter Vollbetreuung in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurden und abgeschafft werden sollen. Jetzt muss das Parlament zügig entscheiden.“

Wie zahlreiche Abgeordnete unterstützt die Lebenshilfe die Forderung nach einer Grundsatzdebatte im Deutschen Bundestag über die gesellschaftlichen und ethischen Folgen von vorgeburtlichen Bluttests. Die Lebenshilfe befürchtet, dass die Bluttests zur Regel-Untersuchung in der Schwangerschaft werden könnten und so Ärzte flächendeckend nach dem Down-Syndrom und anderen Chromosomen-Veränderungen fahnden.

Sorgen bereiten der Bundesvereinigung Lebenshilfe auch die fast überall rasant steigenden Miet- und Immobilienpreise. Für die Lebenshilfen vor Ort wird es immer schwieriger, bezahlbare Wohnungen für Menschen mit Behinderung zu finden oder selbst Wohnraum zu schaffen.* Ulla Schmidt: „Diese Entwicklung ist Gift für eine inklusive Gesellschaft. Hier muss der Staat wirksam gegensteuern.“

 

*In ihrem Jubiläumsjahr legt die Bundesvereinigung Lebenshilfe eine Studie zur Entwicklung des Wohnens vor. Sie trägt den Titel „Wege aus dem Abseits – Der Wandel der Wohnformen für Menschen mit geistiger Behinderung in den letzten sechzig Jahren (1958-2018)“ und kommt zum Ergebnis, dass die Lebenshilfe entscheidende Impulse zur Entwicklung individueller Wohnmöglichkeiten gegeben und diese flächendeckend umgesetzt hat. Hier kommen Sie zur Studie.

Zudem gibt es eine aktuelle Studie über die Chancen von Menschen mit Behinderung auf dem Wohnungsmarkt in Hessen, die vom Landesverband der Lebenshilfe Hessen in Auftrag gegeben wurde. „Wenn der Inklusionsgedanke beim Wohnen in die Realität umgesetzt werden soll, ist eine erhebliche Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus erforderlich“, so das Fazit der Forscher vom renommierten Pestel-Institut. Eine Zusammenfassung finden Sie hier.

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