Presse
30.08.2023 Inklusion und Teilhabe

„Deutschland muss sich bei der Inklusion mehr anstrengen!"

Lebenshilfe-Selbstvertreter Joachim Busch sprach vor den Vereinten Nationen in Genf und zieht ein erstes Fazit.

Selbstvertreter Joachim Busch von der Bundesvereinigung Lebenshilfe im August 2023 bei den Vereinten Nationen in Genf.
© Antje Welke
Selbstvertreter Joachim Busch von der Bundesvereinigung Lebenshilfe im August 2023 bei den Vereinten Nationen in Genf.

Zur Stunde wird die Bundesregierung von den Vereinten Nationen in Genf geprüft: Hat Deutschland in wichtigen Fragen der Inklusion seine Hausaufgaben gemacht, oder gibt es nicht eine schleichende Missinterpretation von Inklusion in Deutschland? Schon gestern sprach Joachim Busch aus Lübeck vor dem zuständigen Fachausschuss zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention (BRK). Als Selbstvertreter der Bundesvereinigung Lebenshilfe vertritt er für die deutsche Zivilgesellschaft vor allem Menschen mit geistiger Beeinträchtigung. Sein erstes Fazit lautet: „Deutschland muss sich bei der Inklusion mehr anstrengen! Ich konnte den Leuten im Ausschuss aber gute Tipps geben, was sie unsere Regierung fragen sollen.“

Zum Beispiel: Was tut Deutschland dafür, um das neue Betreuungsrecht in die Tat umzusetzen? Joachim Busch kritisierte, dass noch immer viele Menschen mit geistiger Beeinträchtigung als geschäftsunfähig behandelt würden. Er forderte eine Beschwerde-Möglichkeit, einen Ort, wo der betreute Mensch hingehen kann, wenn er sich falsch vertreten fühlt. „Außerdem finde ich es unmöglich, dass es kein Geld für barrierefreie Kommunikation zwischen Betreuern und Betreuten gibt, etwa für Gebärdensprache oder Leichte Sprache. Das muss sich ändern“, so der Selbstvertreter im UN-Fachausschuss.

Joachim Busch, der in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) arbeitet, bemängelte außerdem, dass Deutschland seit der letzten Staatenprüfung keine Änderungen am Werkstatt-System vorgenommen hat. Aktuell arbeiten 330.000 Menschen mit Behinderung in Werkstätten, sie verdienen dort im Durchschnitt nur 212 Euro im Monat. WfbM-Beschäftigte sollen aber von ihrem Lohn ohne Sozialhilfe leben können. Busch mahnte dringend einen Plan zur Schaffung eines inklusiven Arbeits-Marktes an, der auch Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf umfasst.

Im Rahmen des Staatenprüfverfahrens muss die Bundesregierung am heutigen Tag dem Ausschuss Rede und Antwort stehen. Gestern wurden fünf Selbstvertreter*innen der deutschen Zivilgesellschaft angehört, darunter Joachim Busch.

Neben dem Staatenbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2019 mit Ergänzungen aus dem Mai dieses Jahres haben das Institut für Menschenrechte und die deutsche Zivilgesellschaft Parallelberichte vorgelegt. Die sogenannten „Abschließenden Bemerkungen“ des Ausschusses werden voraussichtlich im Oktober 2023 veröffentlicht. Bis zu einer nächsten Prüfung Deutschlands durch die Vereinten Nationen können gut und gerne zehn Jahre vergehen. Auch deshalb sind die Empfehlungen, die der Ausschuss geben wird, unverzichtbare Impulsgeber für die deutsche Behindertenpolitik.

Hier weitere Informationen zum Staatenprüfverfahren.

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