Presse
07.06.2023 Recht und Sozialpolitik

Versorgung von Menschen mit Beatmung sicherstellen!

Die Fachverbände für Menschen mit Behinderung fordern eine angemessene Übergangsfrist für den neuen Anspruch auf Außerklinische Intensivpflege. Für etwa 18.000 Versicherte droht sonst eine lebensgefährliche Unterversorgung.

Ein Mensch wird künstlich beatmet.
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Ein Mensch wird künstlich beatmet.

Mit ihrem Schreiben vom heutigen Tag an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach haben die Fachverbände für Menschen mit Behinderung auf lebensbedrohliche Versorgungsdefizite bei beatmeten Versicherten hingewiesen und gefordert, die Frist für das Inkrafttreten des neuen Anspruchs auf Außerklinische Intensivpflege um zwei Jahre zu verlängern.

„Sollte die Frist nicht verlängert werden, tritt das neue Recht zum 31. Oktober 2023 in Kraft. Bislang stehen aber nicht genügend qualifizierte Ärzt*innen zur Verfügung, um die Versorgung der betroffenen Versicherten über diesen Stichtag hinaus zu gewährleisten“, macht Beate Bettenhausen, Vorsitzende des Bundesverbandes für körper- und mehrfachbehinderte Menschen (bvkm) für die Fachverbände für Menschen mit Behinderung deutlich. „Hier droht deshalb eine lebensgefährliche Unterversorgung einer besonders vulnerablen Personengruppe.“

Derzeit sind bundesweit etwa 18.000 beatmete oder trachealkanülierte Versicherte von der neuen Rechtslage betroffen. Eine Verordnung der für sie lebensnotwendigen medizinischen Behandlungspflege darf künftig nur noch durch eine kleine Gruppe besonders qualifizierter Ärzt*innen erfolgen. Zuvor muss außerdem ein etwaiges Entwöhnungspotenzial ermittelt werden. Der Kreis der hierzu befugten Fachärzt*innen bedarf sogar noch höherer Qualifikationen und ist damit noch enger gefasst. Das machen auch die aktuellen Zahlen deutlich: In der Arztsuche des Nationalen Gesundheitsportals sind bislang lediglich etwa 200 zur Potenzialerhebung befugte Fachärzt*innen und zirka 300 zur Verordnung befugte Hausärzt*innen gelistet.

„Für die Versorgung der 18.000 Versicherten, die künftig alle sechs Monate eine Verordnung nebst Potenzialerhebung benötigen, ist das viel zu wenig. Zudem schränkt die fehlende Barrierefreiheit vieler Arztpraxen die Versorgung der Betroffenen zusätzlich ein“, erläutert Beate Bettenhausen, die selbst Mutter eines jungen Mannes mit Intensivpflegebedarf ist.

Um der Entstehung einer strukturellen Mangellage entgegenzuwirken und flächendeckende Versorgungsstrukturen aufzubauen, fordern die Fachverbände für Menschen mit Behinderung deshalb, die Frist für das Inkrafttreten der neuen Rechtslage um zwei Jahre zu verlängern.

Zum Hintergrund:
Außerklinische Intensivpflege (AKI): Mit dem sehr umstrittenen Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (GKV-IPReG) wurde die AKI aus der häuslichen Krankenpflege ausgegliedert und in eine eigene Regelung überführt. Aufgrund dieser neuen Systematik haben gesetzlich Versicherte, die beatmet, trachealkanüliert oder aus anderen Gründen auf Intensivpflege angewiesen sind, ab dem 31. Oktober 2023 keinen Anspruch mehr auf häusliche Krankenpflege, sondern können nur noch AKI nach der Spezialvorschrift des § 37c SGB V erhalten. Das hierdurch geschaffene Sonderrecht für Intensivpflegepatient*innen und ihren Ausschluss vom Anspruch auf häusliche Krankenpflege hatten die Fachverbände für Menschen mit Behinderung im Gesetzgebungsverfahren nachdrücklich kritisiert.

Die fünf Fachverbände für Menschen mit Behinderung repräsentieren circa 90 Prozent der Dienste und Einrichtungen für Menschen mit geistiger, seelischer, körperlicher oder mehrfacher Behinderung in Deutschland. Ethisches Fundament der Zusammenarbeit ist das gemeinsame Bekenntnis zur Menschenwürde sowie zum Recht auf Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft. Mehr Informationen unter: www.diefachverbaende.de

 

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