Lebenshilfe fordert Prüfung von Bluttests in der Schwangerschaft
Ob vorgeburtliche Bluttests auf Trisomien wie das Down-Syndrom weiter als gesetzliche Kassenleistung zulässig sind, muss dringend überprüft werden. Das fordert die Bundesvereinigung Lebenshilfe anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tages am 21. März.
Laut Lebenshilfe ist die Zahl der sogenannten nicht-invasiven Pränataltests – kurz NIPT – alarmierend hoch. Beabsichtigt war, dass schwangere Frauen die Tests nur in bestimmten Fällen auf Kosten der Krankenkassen in Anspruch nehmen können. „Weit mehr als 100.000 solcher Bluttests im ersten Halbjahr 2023 sind keine Ausnahmen mehr. Wie wir befürchtet haben, deutet alles darauf hin, dass der NIPT schon jetzt zur Regeluntersuchung in der Schwangerschaftsvorsorge geworden sind. Davor haben wir von Anfang an gewarnt“, so Ulla Schmidt, Bundesvorsitzende der Lebenshilfe und frühere Bundesgesundheitsministerin.
Aus der Antwort (20/10039) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (20/9677) der Unionsfraktion geht hervor: Von Juli 2022 bis Juni 2023 wurde der Test als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen rund 63.000 Mal pro Quartal in Anspruch genommen. Bei rund 160.000 Geburten pro Quartal heißt das: Auf 2,5 Geburten kommt ein Test. Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche ist der Antwort zufolge in den zurückliegenden Jahren tendenziell gestiegen. Während im ersten Quartal 2021 insgesamt 24.641 Abbrüche registriert wurden, waren es im ersten Quartal 2022 insgesamt 25.817 Abbrüche und im ersten Quartal vergangenen Jahres 27.576 Abbrüche.
Die Lebenshilfe begrüßt deshalb die Initiative im Bundestag, die den Einsatz der Bluttests überprüfen will. Abgeordnete verschiedener Fraktionen haben Ende Februar einen Antrag (20/10515) gestellt, der ein Monitoring und ein Expertengremium zu den Folgen der Bluttests fordert.
Zum Hintergrund
Ein NIPT musste früher selbst bezahlt werden, seit Juli 2022 übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen in bestimmten Fällen die Kosten. Schwangere Frauen können ihr Blut untersuchen lassen, um herauszufinden, ob ihr Kind Anzeichen für eine Trisomie hat, wenn sie dies in ihrer individuellen Lebenssituation benötigen. So wird zum Beispiel nach dem Down-Syndrom gesucht, auch Trisomie 21 genannt. Diese Bluttests sind aber nicht sicher, teilweise zeigen sie eine Behinderung an, auch wenn das Kind keine Behinderung hat. Je jünger die werdende Mutter ist, desto größer ist die Fehlerrate – so kann jeder dritte Test falsch positiv sein. Das Kind hat also gar kein Down-Syndrom, obwohl der Test zu diesem Ergebnis kommt.
Die Lebenshilfe hat bereits vor der Einführung der NIPT vor den Folgen gewarnt. Sie fürchtet, dass die Methode schon bald nicht nur in Einzelfällen eingesetzt wird, sondern sich zur Regeluntersuchung in der Schwangerschaftsvorsorge ausweiten wird. Der Druck der Gesellschaft auf die Eltern wird durch NIPT immer größer.
In den meisten Fällen führt die Diagnose Trisomie 21 zur Abtreibung des Kindes. Menschen mit Down-Syndrom wie der Berliner Schauspieler Sebastian Urbanski fühlen sich durch NIPT diskriminiert. Er engagiert sich ehrenamtlich im Bundesvorstand der Lebenshilfe und sagt: „Ich lebe gerne und habe viel Freude am Leben. Ich bin glücklich, weil ich mich als Teil der Gesellschaft fühle und einfach dazu gehöre. Manchmal brauche ich zwar etwas mehr Unterstützung, aber die braucht ja jeder mal. Nur diese Bluttests machen mir und anderen Menschen mit Down-Syndrom wirklich große Sorgen.“
In einem fraktionsübergreifenden Antrag an den Bundesrat forderte schon im Mai 2023 auch die Freie Hansestadt Bremen, den Umgang mit solchen vorgeburtlichen Bluttests bundesweit zu überprüfen und zu verbessern. Der Bundesrat hat diesen Antrag im Juni 2023 verabschiedet.
Hier gibt es weitere Informationen zum NIPT.